Toprope im Projekt

Irmgard Braun ihres Zeichens Kletterin und Buchautorin hat es geschafft. Sie hatte sich für dieses Jahr vorgenommen, einen glatten Neuner zu klettern und trainiert seit 11. Januar dafür. Nun war es soweit, erwählt hatte sich Irmgard die Route  „E.V.N.I“ (7c) im Sektor „Dès qu fas aqui“ in der Tarnschlucht. Lassen wir sie mal selbst zu Wort kommen :-):

Eine 9 mit 66? Hat geklappt!

„Gestern bin ich von meinem Urlaub in der Tarnschlucht zurückgekehrt, wir waren vom 19. Mai bis 5. Juni dort. Es ist mein Lieblingsgebiet: In dieser Traumlandschaft scheint der Fels fürs Klettern gemacht zu sein. Mein Ziel war es – neben jeder Menge Kletterspaß in leichteren Routen und einer super Zeit mit den vielen Freunden – einfach mal ein bisschen in einer 7c herumzubasteln. Ein Durchstieg erschien mir unrealistisch, ich fühlte mich noch nicht stark genug.
Ich schaute mir also drei mögliche Projekte an und entschied mich für „E.V.N.I“ (7c) im Sektor Dès qu fas aqui. Die Wand war dort fast immer trocken (es regnete sehr oft), und gefiel mir von der Kletterei her total gut. Da war leider nur noch die „Kleinigkeit“ einer zunächst für mich unmöglich erscheinenden Crux.
Beim zweiten Besuch nach dieser ersten Sichtung machte es sich mein Mann Andi Dick in einem Kinderstuhl auf dem Band bequem, von dem die Route startet. Ich experimentierte etwa eine dreiviertel Stunde in der Schlüsselpassage herum – einem Kreuzworträtsel mit Löchern und Leisten und Tritten, die diesen Namen eigentlich nicht verdienten. Und plötzlich wurde aus „unmöglich für mich“ nur noch „sauschwer“.
Hinterher war die Haut an meinen Fingerspitzen so dünn, dass ich mein Frühstücks-Knäckebrot sehr vorsichtig anfassen musste.
Nach einem Ruhetag ging ich wieder rein. Dieses Mal, um die Passagen vorher und nachher zu perfektionieren. Dass es mir dann noch gelang, die Route im Toprope durchzusteigen, überraschte mich – allerdings war das extrem knapp. Und in der Crux war ein eher unangenehmer Pendelsturz möglich …
Am 4. Tag (26. Mai) in der Route: Schwüle Luft, Donnergrollen, Regentropfen. Im Toprope glitschte ich zweimal an den Minileisten der Crux ab – nicht gerade ermutigend! Aber das Wetter war für die nächsten Tage miserabel angesagt … Also drei Minuten Pause, das Seil abziehen und los! Ich kletterte absolut nach Plan, kam entspannt an der Crux an und war plötzlich drüber – es ging verblüffend leicht. Die folgende Passage war nur noch Formsache.

Bei der morgentlichen Gymnastik


Als ich den Umlenker klinkte, habe ich nicht gejubelt. Es war eher wie ein warmes kleines Gefühl in der Brust, das auch lange danach anhielt.
Nun muss es mir nicht mehr peinlich sein, groß angekündigt zu haben, dass ich eine Neun klettern will. Klar, diese Route lag mir wirklich gut, und ich denke, sie ist nicht hart bewertet. Aber sie steht mit 7c im neuen Führer, in dem sehr viele ältere Routen abgewertet wurden.
Was mache ich also jetzt, nachdem ich mein Jahresziel erreicht habe? Weiterklettern natürlich. Und die eine oder andere schwere Route projektieren. Dabei lerne ich eine Menge, obwohl ich seit Jahrzehnten am Fels unterwegs und 66 Jahre alt bin. Und es macht Riesenspaß!“

Wer mehr über Irmgard erfahren möchte, ihr „früheres“ Klettern und ihre Kletterkrimis wissen will, findet mehr unter www.irmgard-braun.de. Ein Hinweis: Es gibt mit „Tod an der Alpspitze“ einen brandneuen Krimi von ihr :-):