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Tobias Wolf und Michael Meyer klettern „Mjöllnir“ eine Neutour am Hägefjell

Tobias Wolf und Michael Meyer können mit „Mjöllnir“ eine Neutour am Hägefjell in der Region Telemark in Norwegen erschliessen.

Hier der Bericht von Tobias:

Ich stehe zitternd an der Wand und weiß nicht wo ich lang klettern soll. Links bei der Rippe gibt es keine Tritte und der Riß ist geschlossen. Also versuche ich mein Glück auf der Wand weiter rechts. Zug um Zug steige ich weiter. Das Zittern kommt mehr von der Kälte als vor Angst. Dazu der böige Wind oder besser gesagt die orkanartigen Böen. Beim Ansetzen der Bohrmaschine biete ich dem Wind noch mehr Angriffsfläche. Das macht das Ganze echt brenzlig. Ich versuchte die Böen abzuwarten aber 2 Fehlversuche waren trotzdem dabei. Beim 3. Mal klappte es. Zwischendurch musste ich mich einmal am Bohrer festhalten um nicht aus der Wand zu kippen. Irgendwann war der Haken drin und das Spiel ging von vorne los.

Wo sind wir eigendlich? Wir befinden uns am Hægefjell in der Telemark Region von Norwegen.

Vor 2 Jahren bereits konnten Michael Meyer & ich hier mit „Vinland Saga“ ein altes Projekt von Ralf Reißig vollenden. 

Das Ziel dieses Besuches war die glatte und kletterwegfreie Zone zwischen „Hägar“ und „Treasure Island“.

Zwischen den 2 Wasserstreifen ist die von uns geplante Route.

 

Ist in diesem Wandbereich eine Freikletteroute möglich? Kann man diese von unten erstbegehen? Bei unserem letzten Besuch 2023 habe ich viele Fotos von dem Wandbereich gemacht, die so gut wie möglich die Wandstrukturen erkennen lassen, um eine eventuell mögliche Routenfühung zu finden. Bei einer 400m Wand kann an jedoch nur erahnen, was für Schwierigkeiten auf uns zukommen aber die Fantasie wurde beflügelt und die Vorfreude stieg ins unermessliche.

Noch geschafft von der langen Fahrt ging es sehr schnell zur Sache. Der Wetterbericht war sagte 4 Tage regenfrei voraus. Also mussten wir schnell mit dem Projekt anfangen. Nach fast 30h Fahrt ging es am Folgetag übermüdet nach dem Familienpaddeln zum Einklettern.

Ein weiterer Tag für die Familie und somit ein Ruhetag für die Füße und es konnte losgehen.

Voll beladen ging es zur Wand

 

Das Hægefjell vom Parkplatz aus gesehen. unsere Route is ca. 10-15 Min weiter links.

 

2 Tage blieben uns die Route einzubohren bevor 3-4 Tage Regen dem Klettern am Hægefjell eine Zwangspause verordnen würde. Dazu sollte ich erwähnen, das es sich am Half Dome von Norwegen vorwiegend um liegende Wände handelt, also meist weniger als senkrecht. Das Klettern hier ist bei feuchtem Fels deutlich schwerer bis unmöglich. Mitunter läuft es mehrere Tagen nach Regen aus den Bändern und Rissspuren die Wand herunter.

Der erste Tag an unserem Projekt startete spät und anders als gedacht. Um 6:00 Uhr nieselt es noch auf dem Zeltplatz am Nisser. Also noch 1h Weiterschlafen. Der schnelle Start verzögerte sich weiter, weil wir einen Zustiegspfad zu zeitig abbiegen und voll beladen mit Seilen, Bohrmaschine & Haken, Akkus, Friends & Keilen an der Wand entlang stolpern. Durch das nasse Gras waren die Schuhe sowie die Hosen bis zum Knie durchgeweicht. Es ging zum Glück etwas Wind und somit trocknete der Fels schnell ab.Die Sonne scheint und es wird angenehm warm.So etwas waren wir vom Hæhefjell bisher nicht gewohnt. Da wir wegen einer 10m hohen Steilstufe am Wandfuß den oberen Wandteil nicht sehen konnten liefen wir erst mal 200m zu weit. Also alles Material wieder zurückgeschleppt. Gegen 10:00 Uhr, also für meinen Geschmack zu spät, ging es endlich ans Klettern. Zum Glück ging das Klettern dann besser als der Zustieg, vom kleinen Angriff der Wespen, die irgendwo im Felsen nisten, einmal abgesehen.Die ersten 10m waren etwas bröselig aber 2 Bohrhaken (BH) sicherten dies gut ab.

 

Danach war die Felsqualität der Traum. Fester Granit und die tollsten Strukturen die man sich wünschen kann. Leisten, Rippen und gelegentlich ein Loch. Manchmal glatt wie Glas und ein anderes mal schön rau, aber immer genug um höher zu gelangen. Es war wie ein Tanz auf der Reibungsplatte und dank der Bohrmaschine auf dem Rücken könnte man wenn nötig einen Haken setzen. So ging es zügig voran.

 

Endlich geht es los ich darf Bohren. Die 3.Sl

 

Toller fester Fels und massenweise gute Tritte.  Da macht das Bohren aus der Kletterstellung Spaß.

 

Am 4. Standplatz gab es ein größeres Band. Nach einer tollen Reibungsstelle spaltete ein 15 m Riß die glatte Wand. Ein Geschenk der Natur an uns. Dank vieler Friends wieder ein gut gesicherte Länge mit nur 3 BH.Die Zuversicht steigt, da wir sehr gut vorankommen.Aber die nächste Wandzone sieht sehr glatt aus.

Der Begin der 4. Sl

 

Micha am 3. Stand

 

Ich am 5. Stand.

 

Der Riß der 5. Länge sowie Rollbrett un Micha in Aktion

 

Die nächsten beiden Längen waren da schon ein anderes Kalliber. Die kompakte Wand machte das Lesen der Strukturen schwerer und so war ein kleiner Linksbogen nötig um in kletterbares Terrain zu kommen.

 

Der 2. Haken der 6. Sl wird von Micha gebohrt. Da Kerstin mit dem Fahrrad unterwegs war gibt es auch Bilder aus dem Tal.

 

Der kleine 3 Quergang der 6. Sl

 

Es wurde aber nicht leichter, sondern es blieb die ganze Zeit anspruchsvoll. Entweder es gab Tritte oder Griffe, aber nie beides. Das stehen auf winzigen Tritten und das Bohrem der Haken aus der Kletterstellung ist für die Füsse und Waden eine kleine Tortur. Dreimal helfen Slyhooks bei Bohren auf der steilen Platte. Dies zermürbte Micha zusehends und er kämpfe sich Haken um Haken nach oben. Es blieb spannend bis zum Schluß. Ich fieberte bei jedem Haken mit Micha bis endlich das Seil eingehängt werden konnte. Diese 6. Sl wurde eine richtige Ausdauerlänge und sollte die 2. Crux werden. Die 7. Seillänge sieht komplett unmöglich aus, weshalb wir auch kurz an der Machbarkeit zweifelten. Ich war schon dabei einen Rechtsbogen zu anzusetzen, als mein Gefühl sagte das geht auch gerade. Etwas zögerlich aber innerlich völlig unter Strom kletterte ich los. Bisher hatte ich alle Haken freistehend gebohrt und dabei blieb es auch. Das ging gewaltig die Wadenmuskeln. Beim Bohren des 2. BH brach mir der Bohrer ab. Ich stand kurz vor dem Wadenkrampf als ich aus der Kletterstellung den Bohrerrest in die Tasche gesteckt sowie den Ersatzbohrer installiert hatte. Leider musste ich ein neues Loch beginnen für den Fall, dass noch Teile das alten Bohrers im Loch steckten. Wir mussten es vermeiden unseren 3. und letzten kurzen Bohrer abzubrechendes. Noch 2 BH blieb es ungewiß, ob die glatte Wandzone überwunden werden kann, dann wurden die Strukturen besser. Juhu!! Dies war bisher ohne Zweifel die Crux und der Blick nach oben zeigte leichteres Gelände.

Der Blick zurück beim Abseilen.

 

Micha zum Beginn der 8. Sl.

 

Noch mal die 6. Sl diesmal vom Stand fotografiert.

 

Nach der 8. Sl machten wir gegen 20:00 Uhr für den 1.Tag Schluß und seilten an unseren mitgebrachten Seilen ins Tal. Den Haulbag, das Rollbrett und den Großteil der Ausrüstung ließen wir oben in der Wand hängen. Zum Glück dachten wir an den Autoschlüssel, was uns sonst  einen anstrengenden Aufstieg mit den Steigklemmen beschert hätte.

Auf dem Weg zum Auto warfen wir einen Blick zurück und staunten nich schlecht, als wir feststellten, das unser Rucksack keine 100m vom Ausstieg entfernt hing. Hätten wir das oben gewusst hätten wir die 2Sl auch gleich noch bohren können. Dafür war es jetzt aber zu spät Für den Folgetag bedeutete dies noch einmal harte Arbeit. Zudem wollten wir versuchen nach dem Abschluß der Bohrarbeit auch noch alle Längen im Rotpunktstil durchzusteigen. Dann könnten wir an den Regentagen in ein anderes Gebiet fahren um etwas Neues zu sehen.

Es gibt auch schöne Boulder am Hægefjell aber erst wenn im August die Mücken gestorben sind geht die Saison los.

 

 

 

Auf dem Parkplatz fragten wir einen Norweger nach dem Wetter für den Folgetag. Er sagte: „Regen in der Nacht und bis 9:00 Uhr dazu Wind.“ Die Tatsache mir dem Wind betonte er merkwürdig, so das ich nicht wusste weshalb, es ging doch auch heute eine leichte Briese. Wir sollten noch erfahren was genau er meinte.

Nachdem uns die kleinen schwarzen Beißfliegen beim Abendessen fast aufgefrassen blieb uns nichts anderes übrig als beim Essen herumzulaufen. Das machten die Norweger auch so und es half.

Beim Frühstück gab es dieses Problem nicht, denn es war richtig windig. Wir packten noch die Abseilringe für die Standplätze sowie ein paar Bohrhaken ein und es ging zurück in die Wand. Ziel war es heute alle Längen RP zu klettern und die letzten beiden Seillängen zu bohren. Da wir alles wichtige oben gelassen hatte, konnten wir nicht von unten anfangen um dann oben weiter zu bohren. So schlug Micha vor „An den Seilen aufzusteigen, oben fertig zu bohren und beim Abseilen die Längen durchzusteigen.“ Das war der Plan.

Je höher wir kamen um so stürmiger wurde es. Die einzelnen Böen waren orkanartig. Die Seile hingen fast wagerecht. An diesem Tag war das Klettern nicht das Problem, sondern sich nicht vom Wind aus der Wand wehen zu lassen.Zudem kühlte der Körper trotz der 10-15°C sehr schnell aus. Bis ich mir die Regenjacke als Windbreaker anzog, frohr ich erbärmlich.Wir kämpften uns weiter und fanden leicht rechtshaltend eine Lösung aus der steilen Wandzone herraus. Die Felsqualität blieb auch hier einfach ein Traum.

 

Mittag zum Aufwärmen auf dem Ausstiegsband.

 

Nachdem am Vortag T-Shirt-Wetter war gab es am 2. Tag das volle Programm an Anziehsachen und es war immer noch kalt.

 

Leider stecken die ersten 4 Haken der 9. SL mal nicht in gerader Linie da die Wegführung ungewiß war. Das läßt sich aber mit langen Exen beheben

 

Beim Bohren der 9.Sl. Nicht nur die Seile auch der Bohrstaub war in der Waagerechten.

 

Gegen 12:00 Uhr war die Route fertig gebohrt. Bei der Mittagspause auf dem windgeschützen Grassband am Ausstieg wurde mir dank Daunenjacke endlich wieder warm. Anschließend seilten wir über unsere Neutour ab und kletterten allen längen RP. Das machte abgesehen von dem Sturm und der ungewohnten Reihenfolge richtig Spaß. Am Ende des Tages fühlten wir uns wie Ballettänzer auf einer Naturbühne aus Granit. Unser kleines Kunststück war nach 2 Tagen vollbracht und wir waren stolz auf unser Werk. Mit 10 Standplätzen, einem Abseilstand in der 8.Sl sowie 55 Zwischenhaken auf 450m ist die Route ausreichend gesichert. Es sind jedoch Friends zwingend erforderlich. In leichten Passagen sind die Abstände etwas größer.

Das Topo:

 

Da sowohl die Linie als auch die Felsqualität der Hammer waren wurde dies auch zum Routennamen.

Um das ganze nordisch zu verpacken und weil meine Frau ein Fan des Gottes Thor ist, nannten wir die Route „Mjöllnir“ nach Thor’s Hammer.

Die folgenden 4 Tage in denen es immer wieder ausgiebig regnete genossen wir den Familienurlaub und Gefühl wieder ein Kapitel beendet zu haben.

Quelle: (c) Tobias Wolf auf seinem Newsblog Sandsteinleidenschaft

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