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Neues aus den Kletterngebieten: Neuregelung des Boofens in der Sächsischen Schweiz

Seit 2022 ist vom 1. Februar bis zum 15. Juni zum Schutz der Natur das Boofen im Nationalpark Sächsische Schweiz untersagt.  Nun hat das sächsische Umweltministerium (SMUL) hat am 17. Oktober seinen Entwurf für die Regelung des Boofens ab 2026 vorgelegt. Wie leider zu erwarten, spricht es sich für eine dauerhafte jährliche Boofensperrung vom 1. Februar bis 15. Juni aus. Am 13. November wurde der sächsische Landesverband des Deutschen Alpenvereins zu einer Stellungnahme abgeben.

Die Stellungnahme:

Ihr wisst, dass das legale Boofen im Nationalpark an Bedingungen geknüpft ist:

  • nur an den 58 zugelassenen Freiübernachtungsstellen (Boofen),
  • im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des Klettersports und
  • rücksichtsvolles Verhalten (Feuerverbot, Lärm vermeiden, keinen Müll zurücklassen, …)

Werden diese Bedingungen eingehalten, geht man von einem naturverträglichen Boofen aus, das dem Schutzzweck des Nationalparks nicht widerspricht. Allerdings haben sich zunehmend immer mehr Menschen nicht an diese Regeln gehalten. Das SMUL sah sich veranlasst, etwas zu unternehmen. Zentral im Raum stand 2021/2022 ein Ticketsystem, bei dem man sich vorher seinen Schlafplatz in der Boofe bucht. Eine Maßnahme, die wir nach wie vor als nicht vereinbar mit der gelebten Praxis des Boofens im Zusammenhang mit dem Klettern sehen und unserer Meinung nach das Problem „Booftourismus“ eher fördert als löst.

Die im Mai 2022 kurzfristig und auf eine Dauer von 3 Jahren begrenzte Sperrung aller 58 Boofen im Frühjahr waren ein Kompromiss, den wir mitgetragen haben. Mit der Befristung diente die Sperrung als schnell umsetzbare Übergangsregelung, um eine geeignete Lösung zu finden. In unserer Stellungnahme schrieben wir damals: Mit Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass es nun zu einer Situation gekommen ist, in der eine Übergangslösung in der befristeten, temporären Sperrung aller Boofen besteht. Wir empfinden den Zeitraum dieser Einschränkung, gerade über lange Wochenenden zu Beginn des Kletterjahres, als sehr großen Einschnitt in das Boofen als gelebten Teil der Tradition des Sächsischen Bergsports, die uns nach § 21 Abs. 2 Satz 1 SächsNatSchG im bisherigen Umfang zugesichert ist. Entsprechend darf diese Einschränkung nicht von Dauer sein. Gleichzeitig erkennen wir aber an, dass die Sperrung ein Signal sein kann, das Ausufern des Boofens zurückzufahren, und während dessen eine Lösung zu erarbeiten, die von der Verwaltung als vollzugsfähig und von den Kletterern als praktisch und akzeptabel gesehen wird. […] Nur unter der Voraussetzung, dass die temporäre Sperrung als Signal auf drei Jahre befristet und adäquat durchgesetzt wird und während dessen konstruktive Gespräche zu erfolgreicheren und von Kletterern akzeptablen Lösungen geführt werden, tragen wir die Sperrung der Boofen zwischen 1.2. und 15.6. von 2023 bis 2025 mit.

Die zur Einführung der Boofensperrung im Jahr 2022 von der damaligen Nationalparkverwaltung öffentlich als Begründung aufgeführten Arten Wanderfalke und Schwarzstorch weisen in der Sächsischen Schweiz nach aktuellen Erkenntnissen einen kleinen, jedoch stabilen Bestand auf, der bei beiden Vogelarten weder “gefährdet“ noch „vom Aussterben bedroht“ ist. Der vor einigen Jahren beobachtete leichte Rückgang der Revierpaare und ausgeflogenen Jungtiere beim Wanderfalken auf ein stabiles Niveau unterhalb des Maximums ist natürlich bedingt – u.a. durch die starke Ausbreitung des Uhus in den letzten 10-15 Jahren, die in allen Felsgebieten im Osten Deutschlands nachgewiesen ist.

Eine detaillierte Analyse der Entwicklung der Wanderfalken in den 10 Jahren vor der Einführung des Boofenverbotes hatte ergeben, dass Gebiete mit vielen Boofen, wie z.B. das Schmilkaer Gebiet oder die Gegend um den Winterstein mit zu den erfolgreichsten Brutrevieren in der Sächsischen Schweiz zählen. In den letzten vier Jahren seit der Einführung des temporären Boofenverbotes hat sich der Trend mit erfolgreichen Brutrevieren in Menschennähe noch einmal verstärkt. Erfolgreiche Brutplätze befinden sich in der Sächsischen Schweiz aktuell oft in direkter Nähe zu stark frequentierten Ausflugszielen wie z.B. der Basteibrücke, der Idagrotte oder auch der Häntzschelstiege. All diese Brutplätze sind von den Touristenwegen abgewandt bzw. von den Aussichten nicht direkt einsehbar. Solange diese Bedingungen erfüllt sind und somit direkte Störungen der Brutplätze ausbleiben, sind erfolgreiche Bruten der Wanderfalken in der Nähe von Touristenhotspots bzw. menschlicher Infrastruktur mittlerweile keine Ausnahme mehr, wie auch der regelmäßige Nachwuchs bei den Wanderfalken im Dresdner Stadtgebiet wie z.B. direkt neben der Autobahnbrücke im Plauenschen Grund zeigt.

Die in den letzten Jahren von den Schwarzstörchen genutzten Brutplätze liegen mehr als 3 Kilometer von genehmigten Boofen entfernt. Somit kann eine direkte Störung der Schwarzstörche durch das Boofen nahezu ausgeschlossen werden. Bei der geringen Anzahl von zwei bis drei regelmäßigen Brutpaaren in der Sächsischen Schweiz sind große Schwankungen bei der Anzahl der ausgeflogenen Jungvögel völlig natürlich. Außerdem ist eine bloße statistische Bewertung von Brutdaten dieser Vogelart aus unserer Sicht zweifelhaft, da die konkreten Randbedingungen der einzelnen Brutreviere entscheidenden Einfluss auf den Bruterfolg haben. In den letzten Jahren wurden z.B. im Großen Zschand wiederholt Revierkämpfe beobachtet, als ein nach dem Waldbrand aus Böhmen einwanderndes Schwarzstorchpaar versuchte, in dem bereits besetzten Revier auf deutscher Seite Fuß zu fassen.

Im aktuell vorliegenden Entwurf des neuen Pflege- und Entwicklungsplans wurden unsere Gegenargumente, die wir im Bericht der PG Boofen gegen die pauschalen, zeitweiligen Sperrungen vorgebracht haben, vom Ministerium scheinbar nicht berücksichtigt. Entsprechend haben wir in unserer Stellungnahme diesen Punkt des Entwurfs nochmals abgelehnt:

  • Die pauschalen Sperrungen hindern alle am Freiübernachten interessierten Kletterer im Nationalpark an der Ausübung von Teilen der Sächsischen Klettertradition. Sie
    stehen damit nicht im Einklang mit dem Immateriellen Kulturerbe „Bergsteigen in Sachsen“.
  • Während der Sperrzeit sind Ausweichbewegungen in sensible und meist gleichzeitig schwer zu kontrollierende Bereiche zu erwarten.
  • Außerhalb der Sperrzeit ändert sich nichts gegenüber der bisherigen Praxis. Weitere Auswüchse sind in dieser Zeit zu erwarten.
  • Unseres Wissens nach gibt es im Nationalpark Sächsische Schweiz keine Lebensräume und Arten, die durch das Boofen gefährdet sind. Auch von Behördenseite werden solche nicht konkret benannt.

Andere Punkte des aktuellen Entwurfs, wie z.B. der dauerhafte Erhalt aller 58 genehmigten Freiübernachtungsstellen und die Verstärkung der Ranger, begrüßen wir dagegen ausdrücklich.
Nun ist es einfach, „Nein“ zu sagen und alles abzulehnen. Wie wir schon im Mai 2022 schreiben, sind wir an einer tragfähigen Lösung interessiert, die mit dem Klettern vereinbar ist. Dazu haben wir in der Projektgruppe verschiedene Wege zu einer „Berechtigung zum Boofen“ eingebracht und diskutiert, unter anderem eine Berechtigung durch Schulungen.

Das SMUL zeigte sich jedoch skeptisch, Schulungen als Voraussetzung fürs Boofen anzuerkennen. Es war unklar, ob ein Verstoß (Boofen ohne Schulung) überhaupt mit der aktuellen Nationalparkverordnung geahndet werden könnte. Und natürlich wäre eine Maßnahme, deren Verstoß folgenlos bliebe, nicht wirkungsvoll. Durch ein freiwilliges Zusatzangebot hätte sich ja nichts an der Situation geändert. Im Mai 2025 teilte das SMUL mit, dass die bestehende Verordnung ausreiche, um Verstöße ahnden zu können. Grundsätzlich waren auch alle Akteure in der PG Boofen bereit, diese Maßnahme zu akzeptieren, allerdings unter jeweils verschiedenen Bedingungen.

Unter Federführung von Nationalparkleiter Uwe Borrmeister wurde daraufhin ein Kompromiss erarbeitet. Dieser enthält im Kern die von uns vorgeschlagene Schulung bzw. einen erfolgreich abgelegten Kompetenztest, die zum Boofen berechtigt, allerdings jährlich wiederholt werden muss. Vorbehaltlich einer positiven Evaluierung soll mit der Einführung dieses „Jahrestickets auf Schulungsbasis“ der Sperrzeitraum ab 2027 jährlich um einen Monat reduziert werden.

Als Vorteile eines „Jahrestickets auf Schulungsbasis“ sehen wir:

  • breite Unterstützung durch die Bergsportverbände bei Konzeption, Aufbau und Öffentlichkeitsarbeit (entsprechende Vorstandsbeschlüsse liegen bereits länger vor)
  • höhere Akzeptanz in der Zielgruppe, damit eine langfristig tragfähige Lösung, sehr gut vereinbar mit der gelebten Praxis beim Boofen im Zusammenhang mit dem Klettern
  • und damit einzige potentielle Lösung im Einklang mit dem Immateriellen Kulturerbe „Bergsteigen in Sachsen“
  • Hürde, die das Boofen für viele außerhalb der Zielgruppe nicht attraktiv macht
  • Umsetzung von Umweltbildung (im Sinne § 3 (3) Satz 1 sowie § 4 NLPR-VO), allgemein Kompetenzzuwachs beim naturverträglichen Verhalten, statt Symptomen mit ungeeigneten Maßnahmen zu begegnen
  • weniger Daten zu erheben/verarbeiten als beim Ticket
  • geringeres Missbrauchspotential gegenüber Ticket (bei entsprechender Gestaltung)
  • sehr viel höhere Sensibilisierung für Probleme und Einfordern des unbedingten Einhaltens der Regeln (sozialer Druck), damit verbunden z.B. Minimierung von Störungen durch Übernachten an nicht-zugelassenen Stellen oder illegale Feuer

Diesem Vorschlag der rückläufigen Sperrungen haben neben uns auch der Landesverein Sächsischer Heimatschutz sowie die Landesdirektion Sachsen (obere Naturschutzbehörde) und die Nationalpark- und Forstverwaltung unter der Bedingung einer positiven Evaluierung der Schulungsmaßnahme zugestimmt.

Anfang Oktober nahm das SMUL allerdings seine rechtliche Einschätzung zu diesem Kompromiss zurück. Wir haben daher die rechtlichen Lage extern prüfen prüfen lassen. Das unserer Stellungnahme beigelegte Kurzgutachten räumt die rechtlichen Bedenken des SMUL aus. Es gibt damit objektiv gesehen keine uns bekannten Gründe, die der Realisierung des Kompromisses entgegenstehen.

Sicher wäre über viele Details noch zu reden. Wir bieten in unserer Stellungnahme daher an, temporäre Sperrungen vom 01.02.2026 bis 15.06.2026 noch einmal mit zu tragen. Das kommende Jahr wäre dann zu nutzen, um alle Vorbereitungen zu treffen, damit das Schulungssystem 2027 starten kann. Entsprechend schließt unsere Stellungnahme:

Mit dem „Jahresticket auf Schulungsbasis“ schlagen wir eine für sich rechtlich sicher umsetzbare Maßnahme vor, die in der PG Boofen auf breite Unterstützung trifft und auch unter den Mitgliedern der Bergsportverbände Akzeptanz erreicht. Uns ist bewusst, dass unser Vorschlag erst mit einem sinnvollen Konzept Wirksamkeit entfalten kann und damit weitere Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren notwendig ist. Die Bergsportverbände bieten weiter ihre Unterstützung an, um eine tragfähige, wirksame und nachhaltige Lösung zur Rückführung des Freiübernachtens auf ein naturverträgliches Maß im Zusammenhang mit der Ausübung Kletterns zu gestalten und somit das immaterielle Kulturerbe „Bergsteigen in Sachsen“ traditionsbewahrend weiterzuentwickeln.

Eure Arbeitsgruppe Boofen der Bergsportverbände

Pressemitteilungen zum Thema Boofen
  • Gemeinsame Pressemitteilung mit NLPFV und BUND vom 16.12.2023 zur Evaluierung der bisherigen Ergebnisse in der PG Boofen (pdf-Datei)
  • Gemeinsame Pressemitteilung mit NLPFV und BUND vom 26.01.2024 zum Start des temp. Boofenverbots 2024 (pdf-Datei)
  • Gemeinsame Pressemitteilung mit NLPFV vom 01.02.2025 zum Start des temp. Boofenverbots 2025 (Link zur Newsseite)
  • Gemeinsame Pressemitteilung der Dresdner DAV-Sektionen und des DAV-Landesverbandes Sachsen vom 27.11.2025 zur Neuregelung des Boofens ab 2026 (pdf-Datei)
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