Topo der Route „The flying Penguin“ (c) Riegler Brothers

East_creek_basin

East Creek Basin (c) Riegler Brothers

Die 1. Seillänge der Route „The flying Penguin“ (c) Riegler Brothers

Den beiden Riegler-Brothers, Florian und Martin, gelang im Sommer 2009 in den kanadischen Rockie Mountains die Erstbegehung „The flying penguin“ (7a/A1), aber ohne alle Stellen frei zu klettern.

Seitdem grübelte Florian, ob den die Route nicht doch komplett frei kletterbar sei. So kehrten sie diesem Sommer zurück und konnten die Frage mit ja beanworten.

Die Route hat drei kurze handgebohrte Bohrhaken an einigen Ständen und ist ansonsten „Clean“ abzusichern.  Dazu zwei Sätze Friends in allen Größen, auch die ganz großen und Klemmkeile und längere Bandschlingen, als Köpflschlingen.

Hier der Bericht von Florian Riegler:

Sommer 2009

„Please come with us!“ Die Stempel von Indien, Marokko und Pakistan in unserem italienischen Reisepass und vielleicht auch unser Dreitagesbart lassen die kanadischen Behörden stutzig werden und wir müssen unser ganzes Zeug vor ihnen ausbreiten. Sie wollen uns nicht abkaufen, dass wir das alles zum Klettern brauchen und erst als wir dem Beamten Kletterfotos und Homepage zeigen und er glaubt wir wären „famous“ lässt er uns gehen.

Unser Hauptziel sind die Bugaboos in den kanadischen Rockie Mountains ca. 900 Kilometer von Vancouver entfernt. Der Weg dorthin könnte abwechslungsreicher nicht sein. Die letzten 50 Kilometer Schotterpiste sind ein wahres Abenteuer und lassen uns schon die Schönheit und Abgeschiedenheit dieser Gegend erahnen.

Der Superklassiker „Sunshine Crack“ ist unsere erste Klettertour vor Ort. Einige Tage später überqueren wir das „Snowpatch Col“ und tauchen ein in ein immer wilder werdendes Kanada. An den Pigeon Feathers entdecken wir noch einen unerschlossenen Wandteil. Ein Risssystem das wie ein Blitzschlag den Turm in zwei Hälften teilt.

7.00 Uhr morgens. Ich steige in die Wand und komme nach 50 Metern auf ein schmales Band. Die nächste Seillänge ist bedeutend schwieriger. Erst nach rund drei Stunden erreicht Martin einen Platz zum stehen. Nach einigen Seillängen Neuland dämmert es und wir seilen ab. Am nächsten Morgen sind wir wieder an Ort und Stelle. Ein Riss in Miniaturgröße weist Martin den Weg. Ich hänge die ganze Zeit am Standplatz und zittere. Ich weiß nicht, ob vor Kälte oder vor der Angst mein Bruder könnte jeden Moment ausrutschen? Während er sich an einer hohl klingenden Schuppe festklammert löst sich auch noch die letzte Zwischensicherung und pendelt unter ihm im Seil. Ich evaluiere noch einmal die Situation. Mein Bruder und ich. An irgendeiner Felsnadel mitten im Gletscher in den Rockie Mountains. Ohne funktionierendem Telefon und…“konsch kemmen“! Martin ist oben und ich atme auf. Eine Stunde später stehen wir am Gipfelgrat. Als wir im Schnee absteigen, sage ich zu meinem Bruder: „Die Wand sieht von hier aus wie ein Pinguin“. Wir nennen die Neutour „The flying penguin“.

Nach einigen Rasttagen wollen wir die 7 Seillängen im Rotpunktstil durchklettern. Die zweite Seillänge wehrt sich aber vehement dagegen. Der 40 Meter lange und äußerst schmale Riss lässt gerade Platz für unsere Fingerspitzen. Wir probieren alle möglichen Bewegungsabläufe durch, bleiben aber erfolglos. Wenige Zeit später spült uns der Regen beinahe aus der Wand. Wir fliehen ins Tal – das Gewitter dicht hinter uns – und fliegen nach Hause.

9 Jahre lang habe ich gegrübelt ob „the flying penguin“ frei kletterbar ist. Im Sommer 2018 fliegen wir in die Rocky Mountains um es herauszufinden.

Zuhause sind wir viele Risse geklettert um uns optimal vorzubereiten. Diesmal verläuft die Anreise ohne größere Zwischenfälle. Wahrscheinlich sehen wir als Familienväter inzwischen seriöser aus. Nach zirka 10 Sunden Autofahrt steigen wir hinauf Richtung „East Creek Basin“. Ich verfluche meinen 30 Kilogramm schweren Rucksack während wir die steile Flanke auf den „Snowpatch Col“ steigen. Wir benötigen Zelt, Kletterausrüstung und Essen für mehrere Tage. Die genialen Felswände und die spezielle Umgebung beeindrucken sehr. Meine Gedanke drehen sich bereits seit Tagen um die wenigen Meter die uns vor 9 Jahren immer wieder abgeworfen haben. Ich weis es wird schwer. Platziere ich meine Fußspitze nur um 3 cm zu weit links oder rechts stürze ich ins Seil. Die Tatsache, dass wir in guter Form sind verleiht uns hier an diesem entlegenen Gletscher nur bedingt Optimismus. Morgen muss alles passen, der kleinste Fehler und unser Plan scheitert.

16.07.2018

Wir starten bei bestem Wetter. Die Bedingungen sind optimal – es liegt nur an uns. Mein Puls rast während ich mich die ersten Griffe hochziehe. Ich weiss ich kann mich nur beruhigen indem ich weiter klettere, mir keine Fehler erlaube und so Meter für Meter Selbstvertrauen gewinne. Die alles entscheidenden Griffkombinationen laufen schon seit Tagen wie ein Film durch meinen Kopf. Jetzt kommen die entscheidenden Minuten. Ich stopfe meine Finger in den offenen Riss und presse meine Füsse gegen die abschüssige Kante. Der ganze Körper schreit nach Pause. Alles will loslassen. Nur der Kopf noch nicht. Ich mobilisiere meine allerletzte Kraft und kann die Griffe gerade noch halten. Am Standplatz angelangt hallt ein befreiender Schrei durch die Bugaboos. Ich habe es tatsächlich geschafft, als erster diesen Riss zu klettern! Während ich meinen Bruder nach sichere weine ich vor Freude. Das monatelange Training für diese Tour hat sich bewährt und der Druck fällt endlich von mir. Jetzt gilt es die Konzentration aufrecht zu erhalten. Es warten immerhin noch 5 ernste Seillängen auf uns. Die Tatsache dass seit 30 Jahren zusammen in den Bergen unterwegs sind macht sich bewehrt und unsere Seilschaft funktioniert optimal. 100 Meter höher erwartet uns die letzte Hürde der Route. Wir wissen beide dass die folgende 50 Meter lange Seillänge auf Anhieb klappen muss um den eisigen Abstieg nicht in kompletter Dunkelheit bewältigen zu müssen.

19:00 Uhr

Voll motiviert alles zu geben steige ich ein. Präzise stecke ich meine Zwischensicherung in den perfekten Riss. 20 steile Meter lassen meine

Unterarme hart werden und der folgende aalglatte Quergang raubt mir den letzten Nerv. Trotzdem kann ich meinen Körper über die rettende Kante

schieben. Die folgenden 100 Meter sind pure Kletterfreude und wir können sie im Sonnenuntergang in vollen Zügen genießen. Gegen 21.00 Uhr stehe ich mit meinem Bruder am Gipfel, für uns ist es unglaublich hier zu sein und es geschafft zu haben. „Now the penguins fly“!

Facts „the flying penguin“

  • 5.12d/IX+
  • 7. Seillängen 200m
  • Pigeon Feathers, Bugaboos, Canada
  • Erstbegehung 2009 by Rieglerbrothers
  • Erste freie Begehung (2. Seillänge pinkpoint) am 16.07.2018

Fotos: (c) Rieglerbrothers

Text: Florian Riegler

Sponsoren: Camp, la Sportiva Arcteryx

www.rieglerbrothers.com