Die Büchse der Pandora öffnet sich für mich – anders als die Weihnachtsgeschenke – schon am 19.12.: Mit einem lapidaren „hast Sonntag Zeit?“ und einem Link zur gleichnamigen Gietl/Messini-Kreation am Podoi vom Martin Feistl. Danach schlafe ich schlecht: 2 Anläufe und 2 Tage waren die beiden Profis am Start, und das soll der Voll-Papa mit dem Halb-Profi … ?
Sollen und wollen, ja: können wir(s) da hoch (schaffen)?
Eines ist klar: Es muss bald sein, das Eis wird nicht besser! Und: Das reicht als Ein – und Ausstieg in die Eissaison, danach kanns nur langweiliger werden…150m steilstes Eis mit 400m Luft unterm Arsch – da darf/muss selbiger auf Grundeis gehen…
Es folgen Tage mit Grübeln (bring ich das? ein Biwak??), Bedenken (taugt das Eis? Hält das verdrehte Knie?), Wetter-Webcam-Termin-Checks (das Hauptproblem ist letzteres, mal wieder ), ein Versuch (von wie weit oben kann man Steigeisen runter werfen und findet sie wieder?) und schließlich: Die 4 F’s in Vollendung (nee, nicht Fressen, Ficken, Fernsehen – das sind nur 3, sondern): Fürchten, Frieren, Fels, Festwasser.
Klar ist: um 2 gehts los in Muc, gepackt wird vorher und die langhaarigere Blondine bekommt noch 3h Schönheitsschlaf im Auto. Uups, wäre fast an einer Schneewehe kurz vor dem Sellapass gescheitert, aber Willi ist willig (das ist unser Sharan:-) Um halb 6 im Finstern mit Ski über die bockharte „Piste“ in ner guten halben h zum Einstieg unter die schwarze Wand – der einzige Sturz des Tages inklusive.
Der bekannte Teil bis zur Abseilstelle auf dem Turm in Wandmitte läuft super: Schnee im Flachen gesetzt, Fels fast trocken, erst 11:00, Steigeisen noch da (im Rucksack). Da bleiben sie auch, und wir starten ins Unbekannte: mit Abklettern der Abseillänge für Martin, der sich das A0-Walker-Trauma ersparen will. Dann kommt mein Teil: 4 steile Felslängen im Bereich der „Via Niagara“, stramme 5er, mit bissl gucken leidlich zu finden, gut zu klettern und akzeptabel zu sichern – ich fühl mich prima! Martin jammert, kalte Hände – zu wenig Adrenalin im Nachstieg? Das können wir ändern:
13:00, Biwakband, Sonne kommt im Eck, Biwakzeug bleibt da, Martin ist dran: Über eine schwere Rissvariante zum Eis. Was ein Bild! Jetzt wirds spannend: Dünner, dröhnender Vorhang, kurzes Zögern … und los! Eine gefühlte Ewigkeit später die Erlösung: Stand! Ein guter! Ich darf also hinterhereiern: nicht unendlich schwer, aber heikel – und unendlich luftig, blos nicht runter schauen. Ach Mist, muss ich ja wegen dem Antreten…dann wenigstens nur im Nahbereich scharf stellen – der Wandfuß 300m tiefer will ich weder sehen noch dran denken.
Die nächste Länge hart, aber schwer: einige Meter im Fels (SU), dann quert Martin in die freistehende Säule. Eisüberhang. Mehr Säule. Und nach gut 30m: wieder ein guter Stand! Auch im Nachstieg mit Rucksack gehörig schmerzhaft für die Unterärmchen. Respekt.
Die 3te Länge ist heikel: war man bisher im kalten, soldigen Eis der Schattenseite unterwegs, gehts diesmal nach rechts in die Sonne, Eis entsprechend „speziell“. Martin flucht sich die Säule (was sonst?) hoch, Stand. Sein unausgesprochene Frage als ich ankomme (so fertig, dass ich nicht mehr päzise klettern kann) erhält ein „Danke, aber nein danke!“. Schad, war die letzte Chance, aber so sinnvoller: die Zeit drängt, ich hätte zumindest eine Erholungspause (und medizinisches Ethanol) gebraucht.
Martin verschwindet über einen (letzten? letzten!) wirklich steilen Aufschwung, die Sonne hinter den südlichen Dolomiten und ich in allem, was der Rucksack an Klamotten her gibt. Im Nachstieg machen diese 50m fast Spass: solides, gefühlt „softes“ Eis und vielleicht die Ausssicht auf…nein, noch nicht das Ende, aber der Richtungswechsel von „rauf“ nach „runter“.
Martin am Ausstieg hat Krämpfe – zum Glück bin ich vorbereitet: vorgewärmte Jacke mit reichlich Schokolade und entspannt(er) Nachseilen für den Held des Tages.
Das Abseilen zieht sich 9mal – ist dafür echt nervig mit 3 mal blöd queren/klettern, aber geschenkt – das bekomm ich trotz Müdigkeit, diversen Schmerzen und schwarzer Nacht nach 16h Anspannung noch hin…und um 21:00 gibts warme Suppe in der warmen Stube.
Bauch gefüllt, Abenteuer überstanden, Bett im Kornfeld (nee, im Auto) ruft.
Danke Martin fürs Mitnehmen und den Herren Gietl und Messini Glückwunsch zur Erschließung dieser wahnsinnig irren, einzigartig und einmaligen Linie!

Zur Einordnung:
War meine anspruchsvollste derartige Tour, in vielen Belangen eine Nummer zäher als die benachbarte „Ghost Dog“ (2018 mit Bene Hiebl bis zum Band)

Text und Bilder: (c) David Bruder