David Bruder und Martin Feistl klettern die „Via dell’Irreale“ (7a+) ind der Marmolada-Südwand. Hier der Bericht vom David:
Der irreale Corona Sommer nährt sich dem Ende, was real spektakuläres am Berg war nicht dabei. Ändert sich, als Martin sich meldet – mit Sehnsucht nach Winter und abgefahrene Alpine Abenteuer. Ersterer wird wohl wie immer erst im Dezember realisiert, letzteres…nun, wie immer wär Dolomiten was, Marmolada Südwand – der größte Muggl der Dolomiten ist aus Kalk – irre…al. Die Route steht schon fest, genau: „Via dell’Irreale“, 1350m, 33 SL, bis 7a+, no Bolts: Martins Idee. Komisch, der Alpin-Ethik-Idealist konnte sich mit dem Vorschlag „Via dell’Ideale“ nicht anfreunden?!
Nun gut, muss ich wohl raus aus meiner Komfortzone. Mit der Hauptentscheidung ist der Rest in unser kongenialen Seilschaft alternativlos:
– 5h Schlafen nach später Anfahrt, gemütlicher Start inkl. Cappuccino auf der Hütte
– Biwak in Wandmitte: 2x bissl Daune und eine 3/4 Matte
– Satz Totems, kleine doppelt, und #3, Satz Keile, 4 Tricams, 50m Seile (knapp? bissl!)
– 3,5 l Wasser (knapp? knapp!!), Brotzeit
– Kein H&H, irgendwie muss der Rucksack erträglich bleiben. Begründung ist allerdings eher Schönreden: bei gut 100 Haken der Erstbegehern und durchgehend eingerichteten Ständen der ersten 18 SL und bissl was in den 15 SL oben raus und je 10 in den techno-Längen bleibt kaum 1, 2 H pro SL)
– jeder bekommt seine SSL: Martin die Schlüssel-Seillängen und ich die schönen SL unten und die scheiß Seillängen oben raus…

Um 10:00 geht’s los: Ich bin gefordert, zügig die weniger unmöglichen Meter zu finden: 11SL halt ich durch, phantastisches Suchspiel in den Weiten der Silberplatte, wenig fixes Material, öfter exponiert, immer wieder auch mal leichter und/oder nicht so solide – die 11te Länge schenkt noch mal richtig ein: steiler, anhaltender Riss, nach 45m ein Wulst, unklarer Weiterweg, Stand nicht absehbar. An Zwischenstand sammeln, dann pack ich den Wulst rucksacklos an, es klappt. Jetzt muss Martin ran, der trotz des schwereren Rucksacks bisher kaum gefordert war … und tut sich erkennbar schwer – nicht mit dem klettern, aber der Wegfindung – und findet dann doch einen gangbares Stück Kalk in das Veschneidungssystem rechts, dass uns in 5 SL zum Biwakplatz unter den SSLängen bringen wird – Schikanen wie feuchte, schleimige, wortwörtlich beschissene und brüchige Kamine, exponierte oder splittrige Plattenquerungen, steilste Riss und anbrechende Dunkelheit inklusive. Macht er logisch sauber OS. Erleichtert und blutend (der blöde Nachziehrucksack….) komme ich im Licht der Lampe oben an – ein recht einladendes Höhlenband, genug Platz, sogar eine Blisterfolie für pip-my-Z-rest. Unterm maximum-Sternenhimmel gibt’s 0-Sterne Abendmahl: mehr als bissl Süsskram und Brotreste mit paar Schluck Wasser gibt der Rucksack nicht her. Ich schlafe prima – naja, irgendwie wird’s noch bissl frisch gegen morgen in dem superdünnen Schlafsack, also tigere ich schon mal rum, bis der Herr Sportkletterer im ersten Sonnenschein bereit ist für die SSL – gelb, brüchig, steil, anhaltend…irgendwie ganz schön (an)spannend, auch beim zuschauen. Das Nachnullen reicht mir, nur schnell raus aus dem Brösel. Bastelstand, Martin souverän am cruisen durchs Schrägdach, ich irgendwie von einer schlechten Sicherung zur nächsten hinterher. Nach einer gängig-schlängeligen 6a für mich hänge ich lange an meinem Lala-Stand, bloß nicht nachdenken: Ein brauchbarer, 2 wenig vertauenserweckende H, dazu ein naja-Tricam und ein Minikeil. Die folgende 6c (???) ist eine echte Aufgabe für uns –

Martin

macht ewig im OS rum, immerhin bald gut an H und alten Fix-Keilen gesichert und außer Sicht. Auch im irgendwie-Nachstieg spannend, verwinkelt, exponiert. Martin übergibt mir (erleichtert?) das scharfe Ende – kurz und heikel aber rissig 6a, dann viel leichtes Gelände – und eine nette Begegnung mit Bekannten aus der „Idealen“. Während die Drei den relative gutmütigen Fischausstiegskamin wählen (dürfen), müssen wir noch kämpfen, fürchten und fluchen: brüchig, nass, schlecht gesichert und steil geht’s für mich in und durch die teilweise überhängenden Ausstiegskaminschlünde, Martin grantelt still hinterher. Irgendwie geht’s vorbei, ich stehe am Gipfelgrat – und sehe die letzte Bahn des Tages zu Tal schweben. Naja, nach so einer Tour ist der nicht mal 2h Abstieg über den gut eingeschneiten Gletscher und die Skipiste eine Erholung.

Am Fedaja Pass organisiere ich Pizza, Cola und Bier während Martin das Auto einsammelt. Bissl Kommunikation mit den Eingeborenen – die „Irreale“ ist wohl durchaus ein Begriff hier…weit kommen wir heut nicht mehr (ca. 500m, wenn überhaupt, ich falle bald in komatösen Schlaf, Martin darf noch – fast wie daheim: Papa pennt, Kinder – daddeln.

Am nächsten Tag wartet einiges an Überzeugungsarbeit – bei mir selbst (die Füsse tun schon beim Gedanken an Kletterschuhe zucken) und auch beim ausgelaugten (äh, nur unausgeschlafenen) Jungspund – aber vor dem einsetzenden Regen gibt’s noch 10 steile, dank Nässe spannende SL bis 7 (latürnich no Bolts nirgends) an der Nordwand des 2ten Sellaturms: „

Rabanser

„: diese „Nacherschließung“ ist durchaus inhärent logisch und teilweise echt spektakulär (ohne „c“ in specktakulär, und das bleibt sicher noch länger so, gut so!)…wir sind mehr als zufrieden, und schaffen fast 2 Familienpizzen (jeweils neuer pers. Rekord) in unserem Standard-Pizza-to-Go-Laden (Str. Chr. Trebinger, 10/A, 39046 Ortisei BZ, Italien): wir haben auch Zeit, Ferien- und Wochenende….Stau!

Fazit: Sehr schönes Abenteuer, dass gar nicht auf der Liste stand! Danke Martin – auch ohne Eis, Schnee und Kälte gibt’s speziellen Steil-am-Seil Spaß für uns Zwei, wer hätt’s gedacht.
Hier noch bissl Details zur „Irrelalen“ aus dem Gedächtnis – vll gibt das dem einen oder anderen mal den Anstoß, in diese Kalk-Odyssee einzutauchen (SL und Bewertungen aus Netz-Topo, s. Bild):
SL1+2: Die ersten 2 SL über den Bruch des Vorbaus zum gemeinsamen Stand mit dem „Fisch“ (BH, H) – ist querenderweise von rechts deutlich länger aber kürzer ungut (einfaches Band nach links zu ein exponierter abgespaltener Pfeiler und die ungesicherte Wandstelle im semi-festem Fels danach gutmütiger hinauf auf Band (Block, 40m), dort 35m nach links).
SL3: fair 6a+ in offensichtlichem Riss/Verschneidung rechterhand. Cams/Keile gehen gut, Stand an H auf Pfeilerkopf, knapp 50m.
SL4: hart 6a in seichtem, semi-festem Riss, dann unklare Platten bei dürftiger Sicherung, eher linkshaltend – das will vorsichtig erkundet werden! Stand u.a. am SU, min. 60m.
SL5+6: Ums Eck nach links, kurz 5+ Aufschwung, dann leichtere Platten bis gutem Stand auf Band unter Aufschwung, ca. 70-80m.
SL7: hart 6a+, für uns ein paar Meter nach rechts zu abgespaltenem Pfeiler (kein Stand), den Kamin dahinter hinauf. Links gibts BH, wohl eine neue Direktroute? Auch in dem linksziehenden Verschneidungsbogen Material – ich muss aber rechts einen steilen, anstrengenden Riss (2H) hinauf, der sich nach gut 15m bei K/H im Plattenmeer verliert – knifflig, unübersichtlich, plattig, exponiert …nach rechts oben zu Hängestand, hier 3 gute H, ca. 45m.
SL8+9: Nicht so schwer (gutmütig 4/5) und daher verschwommen zu Band unter Überhang (ca. 70m).
SL10: pumpige 6a+: In einer links-rechts-Schleife über den großen Wulst – diffizile Querung, überhängende luftige Henkelkletterei, dann plattiges Finisch, 3H und SU zu Hängestand an 3 H unter Riss (ca. 40m).
SL11: kurz sehr hart 6a+: Zunächst anhaltend 6 ca. 40m den Riss rechts hinauf zu Wulst. Links unterhalb H (Zwischenstand). Über gute SU an Löchern und Leisten schwer darüber – brauchbare SU nach ca. 7-10m etwas links, noch weitere 7-10m zu Stand rechterhand (insg. wohl mehr als 60m?)
SL12+13: fair 6a+, dann 5+: Rechts aufwärts, dann querend nach rechts zum großen, die Silberplatten begrenzendem Verscheidungssystem – Stand an Friends (zunächst noch schwer, dann etwas leichter werdend). ca. 60m, H oder SU (?)
(möglicherweise hätte man schon am Wulst in SL 11 rechts klettern sollen? Erschien allerdings nicht gängig)
SL13+14: Erst die SL13 fertig in gutmütiger Rissverschneidung (5, 20m) zu Stand (2H), dann gleich steiler Risskamin (6a) zu Stand auf Absatz (40m, H, SU)
SL15+16: Anstrengender Riss zu Absatz (5+, Stand, 2 H, 25m), gleich weiter in anhaltend steiler Rissverschneidung, oben exponiert über Platten rechts (6b, 2? ZH, 35m) zu Stand an 2H.
SL17+18: zunächst rechts gutmütig hinauf zu splittriger Querung in den Kamingrund (insg. 3H, 25m, könnt schon kurz 6c sein), dann im feucht-erdig-brüchigen Kamin hinaufrobben (hauptsächlich unangenehm, 15m), dann links steil hinauf in Risssystem, teilweise brüchig, anstrengend steil aber auch griffig (20m, 6b, 2? H) zu Stand links an 2 guten H 2m unterhalb des Biwakhöhlenbandes (1H hier), genug exponierter Platz für min. 4 Personen
(einige m links auf Höhe des Einstiegs in SL18 ein Stand – unklar, ob und wie man da hin kommt und ob das günstiger ist)
SL19: fies brüchige, steile, unübersichtliche aber laut Marin „leichte“ 7a+, („eher 7+“), sicher knapp 10 Fixpunkte (H, FK), keine 25m zu Stand unter Dach (3H). 6+/A0 im Nachstieg.
SL 20: unter dem schräg links aufwärts ziehenden Rissdach weiter unguter Fels, einiges an Fixpunkten (ca.10), zum Ende hin fester in Rissen zu Stand an 3H. Ca. 40m, ähnlich schwer wie SL 18.
SL 21: anstrengende, etwas unübersichtliche 6a-Länge, mit H und SU. Vom Stand bin ich rechts rum, geht vll. auch gerade oder links. Fast 50m, etwas zweifelhafter Hängestand wie oben Beschrieben an 3 H.
SL 22: vielleicht die Crux, statt 6c könnt sich Martin auch 7a, b oder c vorstellen. Etwa 5H, dazu 3, 4 FK. Erst sehr steiler, dann seichter, immer noch steiler Riss links, dann rechts (Parallelriss) und rechts aufwärts (2H), weitere Rechtsschleife bis nach links zu Stand gequert werden kann („Band“, H+SU, ca. 45m)
SL 23 bis ca. 25: Querung nach links zu markantem, anspruchsvollem Riss (10+10m), dann leichteres Gelände auf Rampen in links/rechts Schleife aufwärts, insg. ca. 120m, 1 H im Startriss, Stand irgendwo an F.
SL 26 bis 28: Bin zunächst noch rechts bis in die Steilstrinne, die vom markanten Risskamin links des großen Daches herabzieht gequert, dann immer in der Rinne (einige Wulste), erst ganz zum Schluss rechts raus zu Stand (1 H). 2H unterwegs, gut 100m, evtl. schon früher nach rechts?
SL29: üble, sehr klassische 6a: den überhängenden, nassen, brüchigen Schlund hinaufschrubben…2H, Stand an 2 schlechten H.
SL30: ähnlich wie davor, zunächst kaum leicher, weiter unangenehm und kaum zu sichern zu Klemmblock.
SL32-33: weiter im unverändert steilen, nassen, brüchigen Kamin, zunächst nur wenig leichter, später dann klassisch 4, zuletst leichtes Gelände links raus und zum Gipfelgrat (geht vermutlich ähnlich auch rechts haltend).