Feuerhörnle, Routenverlauf

Auch das kletterende Paar Ines Papert und Luka Lindič   musste wegen der Coronakrise ihre Expeditionspläne nach Alaska auf Eis legen. Luka entdeckte die Linie am Hinteren Feuerhörndl der Reiteralm im Berechtesgadener Land letztes Jahr, als er viel Zeit bei der Projektierung in der Thomas Huber Alpentrilogie-Route „End of Silence“ (8b/X) verbrachte.  Schnell konnte Luka seine Frau Ines dafür begeistern, aber das schlechte Wetter verhinderte im  Sommer den erfolgreichen Durchstieg. Im Herbst war es nun endlich soweit.

Hier der Bericht von Luka:

Während ich im letzten Jahr viel Zeit am Hinteren Feuerhörndl der Reiteralm verbrachte, um am Durchstieg der Route „End of Silence“ zu arbeiten, schweifte mein Blick oft rüber in eine große über-hängende Wahnsinnsverschneidung und stellte mir vor, wie unglaublich die Kletterei dort drüben sein würde. Im Mai nach dem Lockdown verbrachte ich zwei Tage allein mit einem Fernglas unter den steilen Felsen der Reiteralm. Ich entdeckte ein paar interessante Linien, die noch auf eine Begehung warten, aber jene am Hinteren Feuerhörndl begeisterte mich am meisten. Dieser exponierte Pfeiler ist der markanteste Felsen in der Gegend und gleichzeitig die Heimat einiger der härtesten Routen. Zurück zu Hause war es sehr einfach, Ines für die Erstbegehung zu motivieren.

Doch wegen sehr instabilem Wetter in diesem Sommer mussten wir unsere Pläne ständig ändern. Wir können die Wände der Reiteralm praktisch von unserer Heimatstadt aus sehen, um rauszufinden, ob sie trocken waren.

Im Alpinismus suche ich meistens nach dem Unbekannten, in dem oft große Ungewissheit mit-schwingt.

Ein großer Kontrast und eine neue Erfahrung gleichzeitig, diesmal praktisch jeden Winkel des Berges zu kennen, an dem wir unser Abenteuer für die nächsten Wochen finden würden.

Wir folgten unserer Linie, einem einzigartigen Risssystemen in bestem Kalk. Es war für uns beide eine außergewöhnliche Überraschung, wie logisch sich die Linie Seillänge um Seillänge fortsetzte und welches Potential wir noch vor unserer Haustüre vorfinden, wenn wir bereit sind genauer hinzu-schauen und weite Zustiege nicht scheuen.

Fotos: Ines Papert und Luka Lindic in ihrer neuen Erstbegehung am Hintere Feuerhörndl Nordwand an der Reiteralm. In Wechselführung kletterten Ines und Luka ersten Seillängen und checkten die schwierigen Passagen aus. Berchtesgadener Land, Bayern, Deutschland.(Fotos: Klaus Fengler)

Die Enttäuschung, die mit der Absage unserer Expedition nach Alaska einherging, löste sich früher auf, als unsere Route beendet war und schnell konnten wir unser Zuhause und dieses lokale Projekt richtig wertschätzen.

Während der routinierten Arbeit am Berg erschien alles wie immer. Zurück in der Stadt sahen wir uns fast täglich neuen Regeln und Vorschriften sowie Nachrichten über Spannungen, Chaos und Gewalt in aller Welt gegenüber. Tatsächlich eine schwierige Zeit, in der wir momentan leben.
Doch das alles konnte unsere wachsende Zuneigung füreinander nicht aufhalten und so haben wir in Bad Reichenhall geheiratet, dort wo man die Felsen der Reiteralm deutlich erkennen kann.

Vor diesem Hintergrund wurde der Name für unsere neue Route bereits geboren, bevor wir sie fer-tigstellen konnten. Am finalen Tag der Erstbegehung wurden wir durch unseren Freund Klaus Feng-ler begleitet. Mit seiner Kamera dokumentiert er das Eröffnen einer Route, in die wir viel Zeit und Herzblut steckten aber auch einiges an Nerven lassen mussten, um unseren Stil zu wahren.

Bald nach der Erstbegehung begannen wir an der freien Begehung zu arbeiten. Das Spiel mit dem schlechten Wetter und daraus resultierenden nassen Fels ging weiter. Doch bald schaffte ich es, trotz der Nässe sturzfrei über die Schlüsselstelle zu klettern und auch Ines gibt alles und machte gute Fortschritte. Wir hatten entschieden, weiter zu klettern, damit ich den kompletten Durchstieg versuchen konnte. Trotz Kampf gegen die große Hitze und einen permanenten Durst, da wir nicht auf einen so langen Tag einrichtet waren, gelang mir der freie Durchstieg. Eine großer Erleichterung und tiefe Zufriedenheit stellte sich bei mir ein. Bald kam ein heftiger Sturm auf und es war irgendwie symbolisch, ein Sturm gemischter Gefühle. Ines konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen und fühlte sich irgendwie zurückgelassen.

Doch ich gab meiner Frau ein weiteres Versprechen, sie bis zum Durchstieg zu begleiten.
Starker Regen, Wind mit Blitz und Donner zwangen uns während des Abseilens, in einer kleinen Nische mitten in der Wand Schutz zu suchen. Wir rutschten instinktiv noch enger zusammen. Unnötige Frustrationen und schlechte Gefühle kühlten schnell ab und verschwanden mit dem frischen Wind.

Eine halbe Stunde später war der Spuk vorbei und die Sonne zeigte sich wieder. Es war eine auf-regende Erfahrung, über die ich aber sehr dankbar bin. Auf mikroskopischer Ebene ist es ähnlich wie die globale Corona Virus Situation, welche uns zwingt, einen langsameren Rhythmus zu finden und mit Deinem Partner enger zusammenzurücken. Die Erkenntnis wächst, daß das Glück nur ein Produkt unserer Erwartungen ist.

Text:  Luka Lindič (ARC’TERYX)

Fotos: Klaus Fengler

Fakten:

Potentielle Wiederholer finden 17 Zwischenbohrhaken verteilt auf 350 m Wandhöhe und perfekt eingerichtete Standplätze. Alle Normalhaken wurden belassen, zusätzlich empfehlen wir einen Satz Camelots. Das Platzieren von mobilen Sicherungen im Kalk und besonders in unserer Route fordert einiges an Erfahrung und sollte nicht unterschätzt werden.

Routenname: Wolke 7

Ort: Reiteralm, Hinteres Feuerhörndl

Schwierigkeit/Länge: 8a, 12 Seillängen, 380m

Absicherung: „alpiner Mix“ aus Normalhaken und Bohrhaken, Standplätze sind eingebohrt

Material: 1 Satz Camalots #0.2 – #3, 10 Expressschlingen

Abstieg: übers Wartsteinband