Nachdem Mich Kemeter dieses Jahr innerhalb von zwei Monaten die Alpentrilogie klettern konnte, legte er jetzt noch mal nach und konnte die „Unendliche Geschichte“ (X+/8b+) punkten. Die “Unendliche Geschichte“ führt durch die zentrale Wand der 7. Kirchlispitze und wurde 1990 von Beat Kammerlander, Heli Scheichl und Peter Mathis eröffnet. Ein Jahr später gelang dann Beat Kammerlander die erste Rotpunktbegehung der 11 Seillängen und damit eine der wohl damals härtesten Mehrseillängenrouten der Alpen und weltweit. Erst Pietro dal Prá konnte dann fast 15 Jahre die erste Wiederholung, der auch psychisch anspruchsvollen Routen machen. Dann kam nochmals zehn Jahre später die große Zeit der „großen“ Damen in der Wand, als Nina Caprez und Babsi Zangerl sich in die Tour wagten und sie erfolgreich durchstiegen.

Facts:

7. Kirchlispitze (Rätikon)

Schwierigkeit: 8b+ /10+

Routenlänge: 320 m

Seillängen: 11 SL (7+, 8-, 9-, 9+, 10, 10+, 7, 8+, 7, 9-, 8)

Erstbegehung: Beat Kammerlander, Heli Scheichl, Peter Mathis, 1990, 1. RP Beat Kammerlander (1991)

Rotpunktbegehungen:

1. RP Beat Kammerlander 1991

2. RP Pietro dal Prá 2005

3. RP Nina Caprez 2015

4. RP Babara Zangerl 2015

5. RP Mich Kemeter 2019

(c) Stefan Fritsche

Lassen wir mal Mich zu Wort kommen: Jede Geschichte hat ihr eigenes Ende. Doch wie soll es wohl bei einer „unendlichen“ ausgehen??? Diese Frage stellte ich mir zum Glück nie, sonst würde ich bis dato noch am Wandfuß oder gar am Parkplatz darüber philosophieren und nie einen passenden Anfang gefunden haben.
Als der silberne Geier einen weiteren roten Punkt bekam, die Trilogie abgeschlossen war und mein Herz nach Mee(h)r schrie, wusste es noch nicht auf welche weitere Rätikongeschichte es sich da einlassen würde.
Sollte es eine sonnige Lovestory werden? Eine dramatische? Oder gar herzzerreissende, mit Unmengen an Reibereien? Vielleicht aber auch nur ein Traum der Unendlichkeit sein?
Nichts lief wie geplant:
Nach einmaligem Auskundschaften mit dem Moritz und einer gehörigen Portion an MAX wurden unsere Seile nach der 8b+ Länge wieder zu Tale gebracht. Die Hitze war unerträglich.
Darauffolgend war Sicherungsmeister GriGri mit mir am Werk und genoss die sonnige Umgebung bis wir am Ausstieg standen. Welch herrliches Gefühl alleine durch eine solche Tour klettern zu vermögen.
Tag 3 in der Tour war wieder Solo. Diesmal von oben und alle Längen wurden nochmals ernsthaft unter die Lupe genommen.
Tag 4 war der Tags darauf und alle Längen wurden nochmals optimiert.
Tag 5 war der Erste Durchstiegsversuch mit Peter, nach zwei Wochen in Finale Ligure. Die Erwartungen schwanden sehr schnell, als in der zweiten Länge -kurz vor dem Runout zum Stand- meine kalte linke Hand vom Sloper schnallte und die Erdbeschleunigung dem Peter einen Schweißtropfen aus dem Leibe drückte. Genau in diesem Moment, als er sich den rechten Handschuh anziehen wollte, um den Achter besser und fester im Griff zu haben, passierte dieses Ungeschick meinerseits und ich stürzte weiter als gedacht. Dies war wie ein Weckschrei an den Geist, der meiner Seele, nach dieser unruhigen Nacht, nur ein Lächeln bescherte. Erneut in der dritten und überhängenden 7b+ Länge blieb mir der erste Versuch verwehrt. Ebenso in der vierten. Einer sehr diffizilen 7c+, mit einem wundervollen Boulder ohne Griffe und den komplexesten Zügen der gesamten Tour. Vermehrt findet man Strukturen, die man nur mit perfekter Körperposition so lange haltbar macht, bis einem jede Faser im Leibe aktiviert ist. Super aufgewärmt lief die nächste 8b Länge wie am Schnürchen und alle einstudierten Tricks wurden bis an die Grenze ausgenutzt. Wäre da nicht diese eine Leiste gewesen, wo meine Finger minimal am falschen Ort waren. Zurückgestiegen, Gliedmaßen umsortiert und durchgeatmet bis zum letzten schweren Zug. Wahrscheinlich hätte ich dann keine Chance mehr in der kommenden Crux Länge gehabt.
Die 8b+:
Eine trickreiche Einstiegsplatte, mit einer Überleitung in eine abdrängende Verschneidung verlangte mir hohe Konzentration ab. Die Kraft passte. Der Fokus war extrem hoch und die Gedanken klar. Jedoch kurz vor dem Ausstieg dieser Länge ging es mir ziemlich an die Substanz. Es gab nur zwei Mikroleisten und feinste Tritte. Die Kraft schwand, als ich das erste Mal an ihnen zog und beinahe stürzte. Also nochmals ein paar Züge zurück klettern war meine Eingebung und keine Flucht nach vorne antreten. Dies würde böse enden dachte ich mir und vielleicht den Rotpunkt verhindern. Doch der Schüttelpunkt half nicht mehr großartig. Die Zeit arbeitete gegen mich. Die Leisten nicht mehr haltbar. Der Pump zu groß! Einmal hatte ich dort eine mögliche Variante mit einem Seituntergriff versucht und habe ihn fast vollständig ausgerissen. Doch ein paar kleine Ecken und Kanten waren noch da. Im nächsten Moment stand ich oben, alles hielt und war wieder im Flow bis zum Stand.
Die weiteren Längen waren ein Genuss. Die Sonne stand noch ziemlich hoch und wir hatten genügend Zeit. Kein Schlechtwetter in Sicht. In der Nachbarroute sah ich noch eine weitere Seilschaft. Es herrschte Anfangs keine Kommunikation, bis ich eine gute Freundin wiedererkannte und es mir noch mehr Freude bereitete diese Momente zu teilen. Als ich zur letzten Runoutlänge kam -eine 6b- wurde ich innerlich immer ruhiger. Zwei Längen noch: Eine hundsgemeine 7b+, mit einem abdrängenden Dach und eine 7a.
Die fünfte Rotpunktbegehung war geglückt am 27. Oktober 2019! Der Sonnenuntergang unvergesslich, die Freude riesig!
Es war ein spezieller Abschluss, als ich mit diesen drei Freunden am Gipfel stand.
Danke Peter! Es war mir eine Ehre und vor allem müssen wir zurückkommen, zwecks dem „Schnellabstieg“ der Kirchlispitze!

Die Fotos entstanden eine Weile später…

Danke Tobi fürs mitkommen sowie sichern!
Danke Stefan Fritsche für die genialen Bilder und den Tag in „unserer“ unendlich schönen Heimat!“