Die jetzige Kletterszene ist unübersehbar im Wandel. Viele und immer mehr Kletterer lernen nicht mehr im Freiem, sondern in der Halle das Klettern oder Bouldern. Meist führt der Fitnessgedanke die Akteure in die Kletter- oder Boulderhalle. Dadurch fehlt der Bezug zur „alten“ Kletterszene und auch zur Kletterhistorie. Die jetzige Kletterszene ist nicht mehr durch die Heroen der Kletterszene geprägt, sondern sieht die Felsen immer mehr als Freiluftfitnessstudio.

Ähnlich ist die Erwartungshaltung; Es steht immer weniger die Route selbst und deren Erstbegeher im Vordergrund, sondern eher die Schwierigkeit und die sehr gute, dem Hallenstandard entsprechende Absicherung. In der Halle wechseln Routennamen und auch Schrauber zumindest jährlich. Der psychische Anspruch und die Eigenverantwortung „vor“ dem Einstieg und in der Route spielen fast keine Rolle mehr, mit den zunehmend mehr Konsequenzen für das Klettern in Freien.

Den Verzicht auf die Route, weil man dieser psychisch oder physisch nicht gewachsen, gibt es immer weniger. Dafür der Ruf nach dem Rundumsorglospaket immer lauter. So wurde auf einer einschlägigen Internetseiten gemeldet: „Loses Gestein“ – In der Route … sind im Riss nach dem zweiten Haken und auf dem Band zum dritten Haken sehr viele lose Steine. Auch sonst nicht ist alles fest, obwohl es fest wirkt!“ – Klingt das nicht ein bisschen wie: „Die Duschen sind dreckig, bitte Saubermachen!“?

Der abgedroschene, aber im Kern doch immer noch gültige Paul Preuß Spruch: „Das Können ist der Dürfens Maß“ spielt keine Rolle mehr.

Vielleicht wird es bald keine „festen“ Routenverläufe mehr geben, sondern nur noch metergerasterte Hakenpositionen, wie in der Kletterhalle, ohne Erstbegeherdaten. Was interessiert ja auch zum Beispiel den Jogger wie der Weg/Pfad heißt, wo er lang läuft und wie der Erste hieß, der diesen Weg nahm.

War früher bis vor 10-20 Jahren noch das Klettern mit möglichst wenig fixen Haken, sprich Clean- und Trad-Klettern „‚En Vogue“, steht jetzt eine möglichst gefahrenlose Absicherung und gute Erreichbarkeit in dem Vordergrund. Entsprechend Überlaufen sind sehr gut abgesicherte, möglichst leicht erreichbare Klettermöglichkeiten, mit dem nachfolgenden Problemen. Routen mit höheren psychischen Ansprüchen werden gemieden.

Kletterer, welche das Clean/Trad-Climbing propagieren, werden mittlerweile eher müde belächelt und für verrückt erklärt. Nicht mehr wie früher in irgendeiner Weise bewundert und gar als Vorbild genommen zu werden.

Den Unterschied merkt man auch in den Alpen, tummelten sich bei schönen Wetter „hunderte“ Seilschaften in der Steinernen Rinne im Wilden Kaiser, so sind es jetzt höchstens ein oder zwei Seilschaften, dagegen sind die Klettergärten in der Nähe vom Stripsenjoch voll.

Man darf gespannt sein, ob die ursprüngliche „Kletterwelt“ erhalten bleibt oder sich auch der Fels in der Natur zu einer Outdoorkletteranlage ohne historischen Bezug, dafür aber mit hervorragender Absicherung und geputzten Fels mit entsprechenden „Chill-Out“-Area in Wandnähe, entwickeln wird.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Nachteile sind weniger sichtbar; so wird das Klettererlebnis durch fehlende einprägende Erinnerungen kleiner. Der Anspruch an sich selbst viel geringer.

Aber vielleicht sehe ich auch nur schwarz und die „neue“ Generation sieht das Klettern auch noch als „Lebenseinstellung“ und vielschichtiges Hobby, denn als Fitnesssport.

Vielleicht ist die „Fitnessgeneration“ doch an der Geschichte des Klettern und der einzelnen Routen interessiert und sieht im Klettern nicht nur die gefahrlose Aneinanderreihung von schweren Zügen.

Vielleicht wollen und werden sie auch Routen eigenverantwortlich absichern.

Vielleicht sollten „die alten Hasen“ auch vorurteilsfrei den neuen Kletterern begegnen und unsere Wissen und Erfahrungen „defensiv“ vermitteln und auch gerne Informationen weitergeben.

Noch hoffe ich, dass unser Hobby doch mehr bleibt als ein Sport, sondern auch eine Lebenseinstellung bleibt, die einem physisch, aber psychisch fordert.

Euer Alma