Simon Gietl und Florian Harrasser konnten Mitte Januar mit „Kaffee Coretto” (M8+/ WI5+) eine neue lange, schwierige und sehr lohnende Route im Reintal  in den Dolomiten erschließen.  Sie benötigten zwei Tage dafür. Die Route wurde ohne Bohrhaken und von unten eingerichtet und geklettert. Benannt wurde die Route nach einem gehaltvollen Koffeingetränk.

„Als ich mit einem Gast die lohnenswerte Eistour namens „Eiskaffee“ kletterte, fiel mir rechts der Route eine beachtenswerte Eisformation auf. Die anschaulichen Eisvorhänge und die dünne Eisglasur entlang schöner kompakter Granitplatten waren reizvoll und anziehend. Genau die richtigen Zutaten für eine spannende und unterhaltsame Mixed Kletterei. Für das Projekt, dort eine Erstbegehung zu klettern konnte ich den jungen und motivierten Florian Harrasser begeistern. Zwei Tage später standen wir bereits am Einstieg. Unser Plan war es, eine logische Linie zu eröffnen, die entlang feiner Risspuren das Anbringen klassischer Absicherungen ermöglichen würde. Dieses Vorhaben war wiederum nicht einfach umzusetzen. Die geschlossenen und kompakten Felsplatten zwangen uns, bereits am Fuße der Wand geduldig nach einer möglichen Linie Ausschau zu halten. Nach langem Überlegen und Beratschlagen, entschieden wir uns einzusteigen. Nach knappen zehn Metern war uns klar, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Sehr lohnende Kletterei mit akzeptabler Absicherung erwartete uns in den ersten Seillängen. Obwohl die Eisauflage kaum stärker war als 1 cm, bot diese eine eindrucksvolle Qualität und ermöglichte uns relativ zügig höher zu steigen. Dennoch erforderte dieses Teilstück Konzentration und mentale Fitness. Das Setzen der Eisschrauben und der Klingen unserer Eisgeräte gestaltete sich ziemlich delikat und heikel. Dennoch spielten Florian und ich perfekt zusammen und erreichten rasch den zweiten Standplatz, den wir auf einem ausgeprägten Eiswulst einrichten konnten. Die darauffolgende dritte Seillänge war unverhofft einfach und sehr logisch. Diese sollte uns hinüber zum auffallenden Überhang lotsen. Nach ungefähr 30 Meter war es mir möglich, einen soliden Stand an zwei Felshaken zu basteln. Dieser befand sich zudem auf einem Eispodest, das das Sichern etwas erträglicher machen sollte. Als wir beide von diesem eindrucksvollen Standplatz nach oben blickten, wurde uns vor Augen geführt, dass die Schwierigkeiten der neuen Route erst jetzt beginnen würden.

Die Steilheit, die Ausgesetztheit und die zu erwartenden Schwierigkeiten setzten uns allerdings nur für kurze Zeit unter Druck. Nach kurzem Überlegen war uns beiden klar, dass wir eine leichte Linksschleife entlang feiner Rissspuren klettern werden. Nach dieser Schleife kletterten wir den Bogen in einer Rechtsschleife zu Ende und schafften es auf diese Weise auf unseren nächsten geplanten Standplatz. Trotz seiner Ausgesetztheit war dieser Standplatz sehr solide. Unterdessen erwarteten uns die markanten und langersehnten Eiszapfen. Dieses Eisgebilde war zugleich das Herz der neuen Linie. Unser Vorhaben, von der steilen Felsnase ins Eis überzusteigen war die Krönung unserer neuen Route. Am ersten Tag schafften wir circa 3 1/2 Seillängen.

Am darauffolgenden Tag kehrten wir zum Umkehrpunkt zurück, beendeten die Rechtsschleife und konnten besser als angenommen vom steilen Felsen ins Eis übersteigen. Das Klettern gestaltete sich flüssig und harmonisch. Der Ausstieg von der überhängenden Wandpartie ins Eis war spektakulär und prickelnd. Den letzten Standplatz unter dem ausgeprägten Schneeband richteten wir in einer kleinen Nische ein. Eine kurze Eislänge brachte uns schließlich auf das vorher erwähnte Band. Dort angekommen erwarteten uns noch einige genussreiche Längen im perfekten Eis. Diese 100 Meter waren zwar nicht mehr schwierig aber umso genussvoller zu klettern. Eine Woche später konnten wir alle Seillängen, die wir bei der Erstbegehung nicht frei kletterten, befreien, bzw. Rotpunkt durchsteigen. Die andauernd gestiegenen Temperaturen machten die Kletterei, insbesondere im Eis, noch um einiges delikater. Dennoch konnten wir dieser neuen eindrucksvollen und sehr lohnenden Mixed Route den Rotpunkt-Stempel aufdrücken. Nach geselligem Philosophieren bezüglich Routenname, war uns ziemlich schnell klar, dass dieser etwas mit der benachbarten Route „Eiskaffee“ gemeinsam haben muss. Unsere Route tauften wir auf diese Weise auch nach einem Koffeingetränk, allerdings aber mit gehörig viel Schuss. Als „Kaffee Coretto“ schien uns der passende Name zu sein. Im selben Moment war uns auch klar, mit welchem Getränk wir auf die gelungene Erstbegehung anstoßen würden:-))).“

Routeninformationen

Route: „Kaffee Coretto”

Erstbegeher: Simon Gietl und Florian Harrasser

Erstbegehung: 16. und 17. Januar 2020

Schwierigkeit: M8+WI5+ (260m)

Absicherung: Die verwendeten Haken wurden belassen, es wurden keine Bohrhaken verwendet.

1 Serie Friends + Eisausrüstung empfehlenswert.

Zustieg: Vom Parkplatz auf der Reintalstraße noch 100m taleinwärts, dann rechts abzweigen auf Forstweg. Diesen bis zum Ende folgen. Hier ist die Linie gut sichtbar. Nun durch steilen Wald aufsteigen bis man an die Felswände stößt. Eine steile 20m lange Rinne führt durch die Felswände hindurch, dann rechts haltend zum Einstieg. (1 Stunde)