Tobias Wolf mittlerweile eine gefühlte Ewigkeit einer der aktivsten Erstbegeher und Wiederholer schwerer Routen in der Sächsischen Schweiz hatte sich ein ehrgeiziges, eigentlich ein unmögliches Ziel gesetzt: Zehn Xer an einem Tag im Sandstein Rotpunkt zu klettern. Die Herausforderung ist weniger die schon sehr hohe physische Belastung, sondern mehr die hohe Belastung für die Finger durch die doch sehr rauhe Konsistenz des Sandsteines. Nicht außer Acht lassen, kann man ebenso die nicht ganz zu vernachlässigende psychische Belastung, aber die kann man bei Tobias vernachlässigen ;-).

Lassen wir mal Tobias zu Wort kommen:

Was kann man machen,  dass es einem im heimischen Klettergebiet nicht langweilig wird?

Nach fast 40 Jahren Klettern im heimischen Sandstein hat man fast alles schon gesehen und vieles bereits geklettert.  Auch hatte ich dieses Jahr mit 25 Jahre XIa sogar ein rundes  Jubiläum. Doch was könnte man noch machen was eine schaffbare Herausforderung darstellt. Schaffbar deshalb, weil die Morphologie des Sandsteines und meine beschränkte Kraft verhindern, dass ich bestimmte Routen klettern kann . Auch ist das extrem schwere Klettern in der warmen Jahreszeit in etwa so attraktiv wie eine Reibung mit Rollschuhen klettern.  Mann kann es vielleicht machen, aber die Freude hält sich in Grenzen und viele Versuche hat man wegen der begrenzten Haut auch nicht.

 Da fiel mir eine alte Wette wieder ein.  Es wurde gewettet das es nicht möglich ist 10 Routen im 10ten Grad an einem Tag durchzusteigen. Also mindestens Zehn RP 10a’s

Eine Spannende Idee und in anderen Klettergebieten ist  das Zusammenhängen oder Enchainment  von schweren Routen auch schon längst normal. Wer hat nicht schon von dem Klassiker im Yosemité gehört – Half Dome und El Capitan an einem Tag zu klettern. Das Thema hat sogar Geschichte.  Bereits 1988 hat sich  Thomas Bubendorfer  mit seinem „5-Wände- Enchainment“ in den Alpen so ein Ziel gesetzt. Nur dass er sich mit dem Hubschrauber vom Ausstieg des einen zum Einstieg des nächsten Weges  fliegen lassen hat ist nicht mehr ganz zeitgemäss. 

Ortswahl

Das Ziel war gesetzt ,wenn auch vielleicht etwas zahlenaffin, nur ein geeigneter Ort fehlte noch. Im Zschand gab es viele 10er aber die waren zu weit auseinander. Die Affensteine sind sehr hautintensiv und auch weit verstreut. Am Teichstein habe ich mal sechs 10er an einem Tag durchgestiegen weil  die Kletterhallen aber dabei waren 2 10c und das geht arg in die Kraft und die Haut. Zudem mangelt es in unmittelbarer nähen an weiteren Zehnerrouten. Brand und Pfaffenstein scheiden wegen der  warmen Temperaturen aus also blieb nur noch Rathen und dort haben Lok und Honigstein mit NO sogar die richtige Ausrichtung 

Das eigentliche Problem

Klettern in Sachsen ist nicht einfach nur Klettern es ist mehr eine Symbiose aus mehreren Bedingungen die ich in einem Post mal scherzhaft zusammengefasst hatte (Link). Ich beschränke mich hier auf 3 wesentliche. Kopf, Haut und Kraft. Wenn der Kopf nicht mitspielt sorgt die Angst dafür, dass man die Griffe sinnlos zuballert und die Haut und Krafft finden ein schnelles Ende. Gleiches passiert wenn man zu lange nach den Griffen sucht oder es zu warm ist. Am besten kennt man die Wege gut genug damit dies minimiert wird. Wer schon mal in Sachsen schwere Routen RP-Klettern bzw. durchsteigen wollte hat sicherlich bemerkt, dass im Gegensatz zum AF-Klettern winzige Details  und vor allen die richtige Fußposition über Erfolg & Misserfolg entscheiden. Es sind also extrem viele Informationen die man erst beim Ausbouldern sammeln und die man sich genau einprägen muss. Manche Leute haben schon Probleme sich eine Route zu merken um diese 1h später durchzusteigen, hier waren es gleich 10 Wege. Zudem lag einige Zeit zwischen den Routen.

Vorbereitung:

Ein Probeversuch startete am Wochenende vor Himmelfahrt. Freitag nach Feierabend fuhr ich zum Honigstein  und schaute mir alleine aus dem Abseilsitz und mit der Microtraxion die Einzelstellen von vier Xer-Routen an. Zum Teil dauerte das Ausboulder einer Einzelstelle über eine Stunde aber es nützt ja nichts wenn man die Einzelstelle nur irgendwie gemacht hat und hinterher nicht genau  weiß wie. Am Folgetag boulderte ich weitere 2  Routen aus und stieg alle 6 durch. Leider  verhinderte der nachmittägliche Regen ein weiteres Klettern. Dafür kam ich an diesem Tag zumindest zu einigen Fotos. Auch merkte ich,  dass es besser ist alle Wege so gut zu kennen damit ich „nur noch“ Hochklettern muss. Auch das Ausbouldern am Vortag war nicht sehr clever denn die Haut regeneriert sich nicht so schnell. Leider schien sich das Zeitfenster für dieses Enchainment wieder zu schließen, denn die langen Wochenenden waren bereits für die Alpen verplant. Lediglich in 3 Wochen würde eine letzte Möglichkeit bestehen dieses Projekt zu beenden. Danach würde es zu warm werden, oder die Zeit fehlte wegen des Sommerurlaubes. Auch unter der Woche Klettern schied arbeitstechnisch bei mir aus.

Je geringer die Erfolgswahrscheinlichkeit, umso größer die Motivation. Bei mir zumindest. Also wurden Pläne gemacht für eins der anstrengenderen Sandsteinwochenenden des Jahres.

Am Freitag den 02. Juni ging es Mittags wieder alleine zur Lok und zum Honigstein. Ich hatte mir vorgenommen alle Xer  Routen  an Lok, Lamm und Honigstein auszubouldern die im Kletterführer oder der Datenbank mit mindestens RP 10a eingestuft sind. Also blieben jetzt noch 9 offen. So hatte ich notfalls ein paar Routen die ich weglassen konnte. Ich hatte diese Routen alle schon mal geklettert aber bei den meisten ist es über 20 Jahre her. Zudem war mit „Todesbeginn“ auch eine !-Route mit schlechter Absicherung dabei. Bis zum dunkel werden schaffte ich es tatsächlich mir alle 9 Routen anzuschauen und zu putzen. Wobei  bei den letzten beiden die Kraft schon weg war und es keinen Spaß mehr machte. Für die 6 Routen die ich vor 3 Wochen bereits geklettert war blieb mir keine Zeit mehr diese noch mal anzuschauen. Am Samstag war ich total im Eimer uns es schmerzten die Finger und die Füße. Zudem geisterten die Einzelzüge der  Routen in meinem Kopf herum. Auch bei der beste Reihenfolge war ich mir noch unsicher. Ich war aufgeregt und  hatte auch meine Zweifel ob ich am Sonntag bereits ausreichend erholt sein würde. All das kenne ich von schweren Mehrseillängenrouten wo alles an einem Tag passen muss um erfolgreich zu sein aber im Elbi hatte ich das so noch nicht. Das zeitige Zubettgehen hatte nur zur Folge, dass sich das Karussell im Kopf weiterdrehte. Die Aufregung kennen ich auch vor dem Durchstieg von großen Wänden. 

Jetzt geht es endlich los

Am Sonntag den 4. Juni war es endlich so weit es war wie zur guten alten Prüfungszeit. In mir kehrte die Ruhe ein denn jetzt kann ich nichts mehr ändern. Der Plan war, das ich 1,5h  vor Thomas an der Lok bin und mich allein bereits warmklettern würde. Somit wurden die 9h wo ich einen Kletterpartner hatte besser für die 10er genutzt werden. Leider verspätete sich Thomas 1h , weil sein Auto streikte. Das war halb so wild, denn es waren noch fast alle Routen in der Sonne. Zudem war Julian auch an der Lok und konnte mich beim ersten Weg mal kurz sichern. Ich entschied spontan die Routen an Lok und Lamm einfach von rechts nach links zu klettern und so ging es los.

  1. Traumtänzer RP10a
  2. Dir. Lockführer RP 10a
  3. Tender RP 10a
  4. Signal RP 10b

Soweit so gut, aber der Kopf ist gerade nicht so entspannt wie er sein sollte. Ich klettere eher auf Nummer sicher, das geht auf die Kraft und die Haut. Zudem ist es recht warm und bei  Nr. 2 und Nr. 4 besteht bei einem Sturz in der Crux die Gefahr auf einem Band oder Absatz zu landen. Deshalb habe ich mich bereits leider stärker als nötig festgehalten. Es folgt mit „Todesbeginn“ ein moralischer Sandkasten mit einem Boulder und Längenzug. 

  1. ! Todesbeginn 10a
  2. Milder Winter RP 10a
  3. Fischnetz RP 10a
  4. Tabu RP 10a

Ja die Wege am Lamm sind nicht so sehr beeindruckend aber die wollen auch mal geklettert werden. Weiter geht es am Honigstein wo es bei „MFG“ die ersten Stürze in den ersten Ring gab das kostet Kraft und Haut. Also wieder von unten starten. Echt schwer die Route und meiner Meinung nach eher  RP 10b. Da viele Ringe zu hoch stecken strengt auch das reinhängen der Exen sehr an. Der Weg kostete  so viel Kragt und Haut das war gar nicht gut. Besonders auf den flachen Griffen unten hatte ich wenig Spaß bei der Wärme mit der dünnen Haut

9. MFG RP10b

Eigentlich sollte die Nr. 10 „Cerebrum“ werden aber nach 2 Fehlversuchen lief mir die Zeit davon und die Kraft wurde auch nicht besser also leider ohne diese Route. Weiter ging es mit „Ein Stück Glückseligkeit“ und das passt ja eigentlich auch recht gut, weil es die zehnte Route im 10ten Grad war.  Zum Glück hatte ich im Anschluss eine längere Pause weil Thomas seine Route RP-versuchte.

  1. Ein Stück Glückseligkeit 10a RP 10b

Ich wäre aber nicht ich selbst wenn ich mich damit zufrieden geben würde. Spätestens wenn ich wieder erholt bin würde ich mich sicher ärgern warum ich die anderen Wege nicht auch noch probiert hatte. Also ging es weiter auch wenn die  Arme langsam ein zügiges Fortbewegen zwischen den Schüttlern forderten.  

  1. Power on the Edge RP 10a
  2. Still on the Edge RP 10a
  3. Nimmersatt RP 10a
  4. Fliegender Teppich RP 10a

Tobias in „Power on the Edge“, Wer so weit kommt hat’s fast geschafft. Foto Jens Lauke

Beim letzten Weg hätte es beinahe noch einmal einen fliegenden Wolf gegeben, denn beim Einhängen des 4. Ringes gingen mir langsam die Hände auf. Beherztes Nachgreifen und schnelles Weiterschnappen an das 2-Fingerloch habe den Durchstieg gerade noch gerettet.

Nach ca. 350 Klettermetern und 9h hatte ich es geschafft. Zudem verzichtete ich diesmal ausnahmsweise auf die Abwärmroute. Danke an Thomas für die Geduld mit mir.

Die hier beschriebene Problem  kann man natürlich in jedem beliebigen Grad, Klassikern, berühmten Rissen oder zum Beispiel von Meisterwegen machen.

Was zählt ist ein Ziel auf welches man hinarbeitet, die Vorbereitung und die Freude bei der Sache, vielleicht auch erst wenn es vorbei  ist.

Hauptsache man kehrt dem heimischen Gebirge nicht aus  Verdruss den Rücken denn dafür ist unser  Elbi einfach zu schön.

PS:Es war ein echt anstrengendes Wochenende, denn mit dem Ausbouldern am Freitag kam ich rein theoretisch auf Dreiundzwanzig 10er . Das werde ich so schnell nicht noch mal machen.

Mehr über Tobias Wolf unter www.kayakandclimb.blogspot.com