Nach Jahrzehnten der Verborgenheit erwacht diese Wand über dem Dach der Höllentalangerhütte so langsam aus ihrem Dornröschenschlaf. Nach der klassischen Nordwestwand von 1967 wurde es lange ruhig dort oben, bis Sebastian Buchwieser und Hubert Hillmaier 1989 eine Linie fast bis zum Gipfel zumindest teilweise einbohrten, komplett fixierten und dann wieder in Vergessenheit geraten ließen. Auch das 2003 von Stefan Glowacz und Markus Dorfleitner eröffnete Projekt wartet bis heute auf einen roten Punkt. 2006 wurde die Wand dann mit der „Black Beauty“ vom Team Hainz, Schäli und Kreuzender etwas bekannter, aber wahrscheinlich erst im Jahr 2019 Rotpunkt geklettert. 2014 begann dann die Haupterschließungsphase. Markus Dorfleitner eröffnete mit „Aller Anfang ist schwer“ ein weiteres Projekt, direkt daneben wurde „Das Jubiläumsbuch“ von Franz Wagner und Hans Hornauer begonnen und 2018 schließlich geklettert. Ebenfalls 2014 kletterte Martin Feistl mit seinem Vater eine über 20 Jahre alte Route am rechten Rand von letzterem, in der Hoffnung eine wertvolle Sanierung zu finden. Dem war zwar nicht so, jedoch wurde 2015 und 2016 mit „LoGa – Für immer bei uns“ die bis dato leichteste Route der Wand geboren. Dazwischen erfuhr die klassische Nordwestwand noch eine äußerst behutsame Sanierung der alten Stichtbohrhaken und Standplätze, in deren Folge 2016 eine erste freie Begehung durch Xari Mayer und Thomas Holler erfolgte.

Solo Erstbegehung an einer “echten“ Wand

Ebenfalls 2015 stieg Martin kurz vor seinem 18. Geburtstag etwas weiter rechts der „LoGa“ alleine in die Wand ein, gesichert mit einem 2er GRIGRI®, an dem er ein bisschen rumgefeilt hatte. Ohne viel Ahnung, was er bei seinem Projekt so brauchen würde, wurde gepackt bis der Rucksack voll war, nur ohne Schlafsack oder Matte. Am dritten Tag – nach einer Nacht in der Almwiese und einer weiteren auf einer Holzbank in der Höllentalangerhütte liegend – hatte Matin dann nach gut 200 Metern keinen Saft mehr. Und die Bohrmaschine auch nicht.

2018 zog es Martin wieder an die Wand, unsicher, ob er die Route im von ihm begonnen minimalistischen Stil beenden könne, erreichte er mit Andi Irler mehr schlecht als recht den Highpoint aus 2015 und brachte bis dorthin etwa 100 m Statikseil an.

Wieder ein Jahr später steigt Martin erneut hochmotiviert solo in die Route ein, erreicht den alten Highpoint und erschließt zwei weitere Länge hinauf zur glattesten Stelle der Wand. Eine lange Querung über eine Tropflochplatte ermöglicht ein Durchkommen an der einzigen Schwachstelle, einem 6er Riss, unfassbar einfach im Verhältnis zu all den anderen Routen an der Wand!

Flugmeter und Rotpunkt

Eine Woche später bricht Martin zum 6. Mal in die Wand auf, diesmal wird sein Treiben photographisch von Silvan Metz begleitet. Die Ausstiegsrisse generieren die einzigen Flugmeilen, dank Faktor zwei in den Standplatz reicht’s damit dann aber auch. Nun folgen die Rotpunkt-Versuche, im Stilbruch zu zweit – Martin hatte aber einfach keine Lust mehr, alleine in dieser wunderschönen Wand herumzuhängen – gemeinsam mit Matze Schlosser und zwei Tage später erfolgreich bis zum Gipfel mit Janina Reichstein:-)

Die Frage nach dem Warum

„Was bleibt ist eine eigenständige, phantastische, 500 Meter lange Linie im 8. Grad – und die Frage nach dem warum. Warum Camalots? Warum kein Plaisir? Warum soll dieses Stück Fels nicht jeder genießen können? Weil diese Linie mehr Demut, Erfahrung und mentales Engagement als reine Sportlichkeit fordern soll und darf.“

Routeninfos:

Schwierigkeit 8 /500m verteilt auf 14 Seillängen

Genaue Routenbeschreibung:

siehe Topo. Vom letzten Standplatz leicht fallend auf die Rückseite der Wand und über grasige Schrofen, zuletzte eine brüchige Stufe (3) nach 60 m zum gebohrten Abseilstandplatz an zwei Raumer Ringen.

Erstbegeher / Erstbesteiger:

Martin Feistl an 6 Tagen 2015 und 2019 solo von unten unter Verwendung von 300 m Fixseilen. Rostige Zeugen früherer Versuche rechts der Route verlieren sich nach der 4. Seillänge.

1. Rotpunkt durch Janina Reichstein und Martin Feistl in Wechselführung am 06.07.2019

Seillänge:

2 x 60 m

Expressschlingen:

8

Klemmkeile:

Rocks 1-8 wurden mitgeführt, aber nie verwendet.

Friends:

Camalot #0.2 bis #4, #0.5 bis #3 doppelt

Ausrüstung:

5 normale Expressschlingen, 3 x 60 cm lange und 2 x 120 cm lange.

2 Expansionsanker an allen Standplätzen, 22 Bohrhaken als Zwischensicherungen auf die ganze Linie, 0-5 pro Seillänge, regelmäßig an Camalots, Keile wurden nicht verwendet. Nicht überall mobil ergänzbar.

Die Qualität aller vorhandenen Haken ist nicht „alpin“, sondern „sehr gut“. Die Quantität ist „alpin“.

Ergänzung zur Schwierigkeit:

Homogen im 7. Grad mit drei etwas schwierigeren Längen. Die Schwierigkeiten sind meist zwischen den Sicherungspunkten zu klettern.

Zustieg zur Wand:

Vom Wanderparkplatz in Hammersbach auf beschildertem Weg zum Eingang der Höllentalklamm. (45 Minuten oder in 30 Minuten mit dem Fahrrad bis zur Materialseilbahn und in wenigen Minuten zur Klammeingangshütte) In weiteren 45 Minuten zur Höllentalangerhütte und von dort in ca. 15 Minuten auf der linken Bachseite auf Wegspuren zu markantem Bachbett, das direkt zum linken Ende des Plattenvorbaus hochzieht. Durch dieses Bachbett bis zum Wandfuß und in wenigen Minuten am Plattenvorbau entlang zu den Einstiegen.

Höhe Einstieg:

1500 m

Abstieg:

1. Vom Gipfel 200 m zu gebohrtem Abseilstand am Ostgrat absteigen, von dort 60 m über grasige Schrofen direkt zum letzten Standplatz abseilen und weiter über die orographisch 5 Meter links befindliche 2016 von Xari Mayer und Thomas Holler sanierte klassische Nordwestwand zum großen Grasband abseilen und über Fixseile einfach zurück zum Einstieg. Teilweise schräg an noch schrägeren Abseilständen. Für die oberen Standplätze evtl. Seilstücke und Maillons mitnehmen, Karabiner teils in sehr schlechtem Zustand. Abseillängen sehr grob geschätzt, sicherlich besser möglich.

2. Ein Abstieg zu Fuß zum Zugspitze Normalweg ist möglich, aber anspruchsvoll, langwieriger und nicht zu empfehlen.

Stützpunkt:
Höllentalangerhütte   1:30 Std.
Kartenmaterial:

BY 8: Wettersteingebirge

Bemerkungen:

Ein Rückzug nach der 7. Seillänge ist nur durch Zurückklettern möglich.  Wer in den rauen Ausstiegsrissen klemmen möchte, sollte Risshandschuhe mitnehmen.

 

Text: Martin Feistl

Fotos: Silvan Metz

https://www.youtube.com/watch?v=hncjSnRqnRw