Der Deutsche Tobias Wolf konnte während seines Yosemite-Trips die „Karma“ am Half Dome befreien. Die Route wurde im Juli 1986 von Dave Shultz, Ken Yager und Jim Campbell künstlich erstbegangen. Die 13 Seillängen waren mit 5.11+ (A1) bewertet, wobei in 9 Seillängen künstliche Hilfsmittel verwendet wurden. Wer ausführlicher informiert werden möchte, am 2. Februar nächsten Jahres gibt es von Tobias einen Vortrag in der SBB-Geschäftsstelle in Dresden.

Lassen wir dazu Tobias zu Wort kommen:

„Die Tritte sind winzig und glatt und die Griffe sind nur 2mm Leisten für 2-3 Finger. Trotzdem muss ich die volle Kraft aufbringen, sonst geht die Route nicht frei. Mein Fuß rutscht ab und ich stürze. Nach einigen weiteren erfolglosen Versuchen schaffe ich die Seillänge zum ersten Mal, aber es ist fraglich, ob ich es noch einmal schaffe. Also bleibe ich konzentriert und stehe voll auf meinen Füßen. Es folgen ein paar weitere windige Trittwechsel und entweder die Unterstützung von Olis Variante oder ein 2mm-Vorsprung bis zum Bauch. Ich bleibe bei meiner Variante und erreiche gerade noch den letzten Halt. Voll angespannt überquere ich die nächste kleine Stufe und schiebe mich auf die wachsende Felsrinne. Juhu! Es ist geschafft, die Route ist frei zum Klettern. Der Rest der 40 Meter langen Seillänge vergeht wie in Trance. Mit traumwandlerischer Sicherheit balanciere ich auf der Felsrinne zum nächsten Standplatz.

Wir hatten vor, 5-6 Tage am Half Dom zu verbringen. Jeder von uns hatte einen 26 kg schweren Rucksack mit Verpflegung und Kletterausrüstung dabei. Die insgesamt 27 Liter Wasser würden wir 1,5 Stunden vor dem Start auffüllen.“

In der 5. Seillänge wurde der „Dike“ zum ersten Mal unterbrochen, und für die freie Begehung war Kletterei und Reibungskletterei für 13a erforderlich.

Das klingt alles nicht nach typischem Yosemite-Klettern, aber wir sind immer noch hier. Nachdem es endlich etwas kühler wurde, wanderten wir mit Portaledges und Verpflegung für 5-6 Tage zur Südwand des Half Dome. Eine der beeindruckendsten Felsformationen wurde dort im Juli 1986 mit der Route „Karma“ von Dave Schulz & Ken Yager & Jim Campbell erstbegangen. Ein Dike (Gesteinsader), der diagonal durch die Wand verläuft.

Die 6. Seillänge war 13b und bringt uns langsam zum steilsten Teil der Wand. Dies macht es fast unmöglich, auf ihr zu stehen, ohne zu kippen, trotz der breiten Felsader

Von den 14 Seillängen sind nur die letzten drei ohne Felsadern. Manchmal ist der Deich kaum sichtbar, manchmal ist er so breit, dass man ihn bequem begehen kann. Die Einstufung der Route nach der Erstbegehung ist ein Hohn. 5.11d und an vielen Stellen A0 stehen im Topo. Dave Schulz ist ein begnadeter Reibungskletterer, der im selben Jahr die Nachbarroute „Southern Bell“ 5.12d R erstbegangen hat. Das R nach der Schwierigkeit steht für „Runout“ und bedeutet sehr anspruchsvolle Absicherung. Für „Southern Bell“ kehrte er 1988 zurück und schaffte mit Scott Coscrove die erste freie Begehung. Die Route „Karma“ war ein ganz anderes Kaliber. Über 10 Jahre lang kehrten er und Brooke Sandahl immer wieder zu „Karma“ zurück, um sie frei zu klettern. Die beiden steckten viel Liebe in die Route und ersetzten viele alte Bohrhaken durch neue oder fügten zusätzliche Bohrhaken zur besseren Absicherung hinzu.

So sah das einzige verfügbare Topo der Route aus, nachdem ich die mündlichen Ergänzungen von Brooke eingearbeitet hatte. Es gab im Wesentlichen 3 Seillängen, die noch nicht geklettert worden waren. Bei 2 von ihnen waren die einzelnen Züge noch nicht gelöst worden.

Brooke ist auch im amerikanischen Klettersport kein Unbekannter. Er ist verantwortlich für die erste freie Begehung der „South Face“ am Mt. Whatkins und war damals zusammen mit Lynn Hill an der „Nose“ aktiv. Aus Zeit- und Wassermangel gab Brooke seine Ambitionen an der „Nose“ auf, damit Lynn die erste freie Begehung machen konnte. Vor sechs Jahren waren Brooke und Dave zum letzten Mal auf dem „Karma Project“, wie er die Route inzwischen nannte. Dave erlitt einen Herzinfarkt und überlebte diesen in dieser abgelegenen Region ohne Handyempfang nur dank des umsichtigen Handelns seiner Partnerin. Seitdem hat Brooke immer wieder versucht, mich davon zu überzeugen, es mit dem „Karma-Projekt“ zu versuchen, und da sind wir jetzt. Bisher konnten wir alle Seillängen klettern und es gab keine einzige (bis zur 9. Seillänge) ohne diese felsigen Adern, aber das Klettern ist immer noch ziemlich anspruchsvoll. Zum einen sind 4 x 5.13 sehr anspruchsvoll und zum anderen quert die Felsrinne über einen großen Überhang, der ein Abseilen an einer Stelle unmöglich macht. Die einzige Möglichkeit besteht also darin, sich voll auf die Route einzulassen und mit dem Portaledge einzusteigen. Der Ausstieg vom Einstieg des Pfostens erfolgte am Abend des 2. Tages. Die letzte und schwerste der 5.13er war das letzte Puzzlestück, das für die Duschbegehung noch fehlte. An dieser Stelle war der „Dike“ aufgrund von Erosion fast vollständig verschwunden. Dieser Abschnitt musste für die weitere Route überbrückt werden. Wir boulderten jeweils mehrere Stunden lang, aber es fehlten immer 1 oder 2 Züge. Wir haben es mit all unseren Kletterschuhen probiert und Oli hat sogar die Socken im TC Pro angezogen, um an den winzigen Tritten einen kleinen Vorteil zu haben. Ich blieb bei meinen Miura VS Women, in denen ich schon geklettert war, weil die neuen Schuhe auf den folgenden Reibungsstufen einfach nicht so gut hielten.

Die Wahl der Kletterschuhe war der entscheidende Faktor.

Der aufmerksame Leser wird sich nun fragen, wie viele Paar Kletterschuhe wir die 7 Meilen lange Anfahrt hinaufgeschleppt haben. Die Antwort ist einfach: 3 Paar und Oli 2,5 Paar. Auf Routen wie dieser ist die Wahl der Schuhe entscheidend für den Erfolg. Bei meinem nächsten Versuch schaffte ich zum ersten Mal die Einseillänge, und da sie direkt am Standplatz lag, kletterte ich weiter. Da ich die extrem wackelige 2. Crux am 2. Bohrhaken gut im Blick hatte, kam ich schnell durch. Dann war Oliver an der Reihe. Als er eine Weile brauchte, weil die neue TC Pro eine halbe Nummer größer war als die alte, ersetzte ich in der zweiten Crux den alten 6mm-Bolzen durch modernes Material.

Ein neuer Bolt an der 2. Crux

Leider konnte Oli an diesem Abend nicht durchklettern, und so schlugen wir unser Nachtlager auf, oder besser gesagt, das Portaledge, genau dort, wo wir waren, damit er es am nächsten Tag noch einmal versuchen konnte. Es war eine kühle, aber klare Nacht mit Vollmond. Little Yosemite lag uns zu Füßen, und Liberty Cap und Mount Brodenik leuchteten silbern im Mondlicht.

Eigentlich hätte es die perfekte Nacht sein sollen, aber mir ist am Morgen aus versehen meine nagelneue Daunenjacke vom Portaledge gefallen. So wie es aussah lag diese genau am Einstieg der Nachbaroute und dort kletterte während des Tages eine andere Seilschaft. Also musste ich auf dem Rückwege einen Umwege von über 1h in Kauf nehmen, um diese wieder einzusammeln. Am nächsten Morgen ließen wir uns von der Sonne aufwärmen und es war der wärmste Tag seit wir in der Wand waren. An den Fingern war es noch nicht zu warm, aber die Füße in den Kletterschuhen begannen zu Schmerzen. Oli probierte fleißig weiter und hatte die erste Schlüsselstelle bestimmt 10 mal geklettert. Jedoch die 2. Stelle warf ihm immer wieder ab. Wir hatten das Portaledge aufgebaut gelassen um Oli eine bessere Ruhemöglichkeit zu geben.

Als die Sequenz der 2. Crux noch mal überarbeitet wurde und mittendrin eine winzige Stelle zum beruhigen der Nerven gefunden war, glückte Oli der Durchstieg. Die Freude war groß und wir konnten uns auf den Weiterweg machen.

Es waren noch 5 Sl bis zum Gipfel und es waren auch noch 2 mal 5.12er dabei. Was ich aber am problematischsten empfand, war, dass die Wand nun extrem liegend und strukturiert war. Das ist für das Ziehen der Haulbags eher schlecht. So entleerten wir 10l von unserem Wasser, um leichter zu werden und beeilten uns zum Gipfel zu kommen bevor es dunkel wurde. Immerhin war noch der fünfstündige Abstieg am gleichen Tag geplant. Gegen 16:00 Uhr erreichten wir geschafft und zufrieden den Gipfel. Am Gipfel wurde gleich das Handy eingeschalten und es war wieder Empfang. Oli hatte in der Heart Route die Telefonnummer mit Alex Honold getauscht, weil er ja ein ganzes Jahr in Nordamerika bleiben würde. Jetzt kam eine SMS von Alex, dass sie in der Nachbarroute geklettert sind und meine Daunenjacke am Einstieg gefunden haben. Er hatte sie mitgenommen und ich könnte sie im Tal bei ihm abholen. So hat Alex mir einen großen Umweg erspart. Auch bekam Brooke gleich die Mitteilung per SMS „We did it!“.