Ein paar interessante Gedanken von Hannes Huch zum Thema „Klettern und Kommerz“ auf seinem Blog Rokblok:

Einfach mal zum Nachdenken im Jahr von Olympia …

»Wallstreet«, inmitten des Krottenseer Forst in der Fränkischen Schweiz gelegen, war 1987 die erste Route mit dem Schwierigkeitsgrad Elf minus weltweit. Der Erstbegeher Wolfgang Güllich benannte sie angeblich deswegen nach dem weltweiten Finanzzentrum, weil harte Touren an der Routenbörse so hoch gehandelt werden. Wallstreet klingt aber nach allem anderen, als was die heutige Werbeindustrie dem Klettersport so andichtet: Frei sein, anders sein, sein Ding machen – whatsoever. Wallstreet klingt eben nach dem berühmten »Gier ist gut. Gier ist richtig. Gier ist gesund“, wie es nur ein Jahr später der Banker Gordon Gekko im gleichnamigen Hollywood-Blockbuster mit Michael Douglas lakonisch konstatierte. Gordon Gekko als personifizierter Drecksack, der für Geld so ziemlich alles tut.

Irgendwie passend, dass auch die Route Wallstreet mit unschönen Mitteln zustande kam. Zunächst war es nämlich nur eine Route im zehnten Schwierigkeitsgrad, was zu der Zeit zwar immer noch etwas besonderes war – aber eben nicht groundbreaking. Als Wolfgang erfuhr, dass sich die Griffe – aus welchen Gründen auch immer – nach seiner Erstbegehung vergrößert hatten, rückte er mit dem Mörteleimer an und stutzte sie wieder auf das originale Maß zurecht. Dabei fiel der Mörtel jedoch auch noch in ein paar andere, von der Manipulation nicht betroffene, Griffe. Diese konnte man in der Folge nur noch als Tritt verwenden und nach einer erneuten „Erstbegehung“ durch den Meister Güllich wurde Wallstreet dann zu dem, was sie immer bleiben wird: Die erste Elf minus des Planeten. Und treffender hätte sein Name nicht sein können. Zur Verteidigung Wolfgangs muß man erstens sagen, dass wohl keiner von uns eine blütenreine Weste hat. Und zweitens, dass damals im Sportkletterhochland der 1980er, dem schönen Frankreich, Griffe gehackt wurden wie sonstwas. Dagegen war ein bißchen Mörtel nix.

Money is a bitch. Das zweite und hoffentlich letzte Mal, dass ich ein Sakko trug. Der Gründerpreis der IHK Mittelfranken. Da sollte man alle Alarmglocken auf Empfang stellen.

Über Klettern und Kommerz zerreißen sich die Menschen die Mäuler gewiß seit es Bergsport gibt. Der edelste Sportler ist immer noch der Dirtbag, der wie ein junger Jerry Moffatt in einem dreckigen Stall schläft und sich absolut nur für den nächsten Move interessiert. Und nullkommanull für den schnöden Mammon. Oder ist das nur mein Wunschdenken? Als ich jetzt diesen Clip mit Chris Sharma und dem Audi A5 sah, kamen mir da so meine Zweifel.

2020 ist das Jahr, in dem Klettern olympisch wird. Und damit werden endgültig mehr Funktionäre als aktive Athleten bei den Wettbewerben wichtigtun.

In der buddhistischen Ethik existiert der Begriff der »drei Geistesgifte«. Dieser fasst die drei schädlichen Eigenschaften Gier, Hass und Verblendung zusammen. Gier, auch als Sucht oder Begierde übersetzt, ist das Haben- und Besitzenwollen, das Bestreben, auf jeden Fall und um jeden Preis zu existieren. Heilsam wirken Großzügigkeit und Mildtätigkeit, sagt Buddha.

Aber es ist soooo schwer sich dieser Gier zu entziehen! Mein Vater brachte mir von Klassenfahrten, die er mit seinem Oberstufenkurs in den damaligen Ostblock durchführte, das sozialistische Pendant zu Monopoly mit, was auf den schönen Namen ”Klassenkampf“ hörte. Ich kann mich nicht daran erinnern es einmal gespielt zu haben. Ein Sieg bei Monopoly mit geilen 10000 Mark-Scheinen und jeder Menge Straßenzüge voller Hotels war einfach unendlich verlockender.

Vor kurzem durfte ich zusammen mit meinem Freund Christian Popien zwei Podcastfolgen mit Juliane Fritz von „Bin weg bouldern“ aufnehmen. Das Thema war: »Lohnt es sich noch eine Boulderhalle in aufzumachen?« In der Folgezeit dachte ich natürlich nochmal über das Thema nach. Über die vielen sinnvollen Dinge, die Christian in den Podcasts sagt. Und über meine Versuche seine sinnvollen Aussagen durch Scherze zu torpedieren …

Auch wenn ich niemals einen Porsche oder eine Rolex mein Eigen nennen konnte, ist mir der Vorwurf die Kommerzsau Nr. 1 zu sein, nie häufiger begegnet als in der Zeit, in der ich das Café Kraft aufbaute. Kommerzsau Nr. 1 bezieht sich natürlich weniger auf den persönlichen Lifestyle, sondern mehr auf den vorgeworfenen Ausverkauf des Kletterns. Zum Beispiel die Frage, ob man denn jeden Fitnessheini zum Klettern bringen muß. Diese Frage verneine ich als Kletterer, als Kletterhallenbetreiber ist sie natürlich unternehmerischer Selbstmord.

Oder die immer wieder vorgebrachte Kritik, ich hätte die Rotpunkt-Helden Albert und Güllich als Werbe-Maskottchen verhökert. Als Kletterhallenbetreiber sah ich das anders, denn ich fand, dass man gerade hier in der Fränkischen die „New Generation“ an die Wegbereiter erinnern sollte. Als wir dann aber in Stuttgart eine Franchise-Filiale eröffneten und dort den Güllich an die Wand hängten, war mir nicht wohl bei der Sache. Es war schließlich klar, dass für uns der Hauptzweck dieser Einrichtung darin bestand Geld nach Nürnberg zu überweisen. Ich hab das Bild dann abstrahiert schwarzweiß für die Stuttgarter drucken lassen, um mein Gewissen zu beruhigen.

Trotzdem hab ich’s gemacht und bin nicht sonderlich stolz drauf. Es war halt ’ne Verführung.

Mit »the king of Arco« Ramonet vor den Legends Güllich und Albert. So einen Bizeps hatte ich noch nie gesehen.

Die Frage, die über dem ganzen Thema thront, ist nicht von schlechten Eltern, sondern von Theodor W. Adorno. Er fragte nicht, sondern stellte fest, dass »es kein richtiges Leben im falschen geben kann.« Adorno bekräftigt mit seinem Satz die Wichtigkeit, sich den Sinn für das Richtige nicht nehmen zu lassen.

This is the real thing: Boulderpionier Norbert Bätz in Maud. Einer der ersten 7a Boulder Fränkischen. Foto von 2004.

Und das Richtige ist nun mal höchst individuell! Ist es wirklich ein schlechter Charakterzug all sein Streben auf Geld und Macht auszurichten, wie die Buddhisten sagen? Herr Buddha ist schließlich schon seit 2500 Jahren tot …

Als ich mit dem Klettern in den 80er begann, waren die einzigen, die mit dem Klettern Geld verdienten, die Bergsportfirmen und die Händler, die das Zeug vertickten. Das hat sich geradezu umwerfend verändert und ich hätte einige Euros weniger auf dem Konto, wenn ich nicht selber Teil dieser Kommerzialisierung gewesen wäre und noch immer bin. Das macht Spaß, denn die allermeisten Erfahrungen in der Industrie sind supercool und nicht so peinlich und albern wie mein Ende in meiner eigenen Halle.

Warum all dieses komplizierte Geschwurbel? Weil ich auch noch mit einer Unternehmensberatung einen Podcast zum Thema »Was Unternehmer von Kletterern lernen können« aufnahm und mir überlege, zusammen mit ein paar Destillaten aus dem Bin weg bouldern-Podcast, ein paar Start-Up-Posts zu schreiben. Oder bin ich dann wieder in der Teufelsküche des Ausverkaufes unseres Sports? Help me Mr. Dick! Alles nicht so einfach …

Ich geh jetzt erstmal klettern.

Text: (c) Hannes Huch