Die frühen Jahre

Schon im frühen Alter von 6 Jahren ging ich mit meinen Eltern viel Wandern. Im Alter von 10 Jahren habe ich dann die ersten Kletterer am Gimpel im Tannheimer Tal gesehen. Daraufhin kaufte ich mir von meinem Taschengeld schließlich die ersten Haken und schlug sie bei meinen Eltern im Garten in die Bäume. Bei einem Dolomitenurlaub kletterte ich dann auf die ersten Felsen und schlug dort meinen ersten Haken. Das hatte ich ja schon geübt. Dieser steckt heute immer noch in der „Steinernen Stadt“ am Sellajoch. Bis ein abgebrochener Ast beim Baumklettern mich mit einem komplizierten Unterschenkelbruch ins Krankenhaus beförderte. Nach einigen Monaten Gips überredete ich meinen Vater schließlich mit dem Klettern am Felsen zu beginnen. Ich war 12; mein Vater und ich hatten keine Ahnung vom Klettern. Trotzdem fuhren wir nach Konstein, um die ersten Versuche zu machen. Nach einigen missglückten Kletterversuchen wurde ich immer besser.
Auch Eistouren und Skitouren standen ein Jahr später auf dem Programm. Ich bestieg mit meinem Vater den Piz Palü – „Bellevista“ und den Biancograt auf den Piz Bernina. Beim letzteren war ich vermutlich der jüngste Begeher, laut Aussagen Anderer, den es bis dahin gegeben hatte. Auf diesen Touren waren wir zum Teil bis 18 Stunden unterwegs. Dann baute ich mir sogar am Haus meiner Eltern meine eigene Kletterwand.

Mit 13 Jahren hörte ich auch zum ersten Mal die Namen Wolfgang Güllich – Kurt Albert und Sepp Gschwendtner. Die drei deutschen Kletterer, welche zu der damaligen Zeit schon sehr gut am Fels unterwegs waren. Ich fragte mich „Klettern als Beruf“; geht das überhaupt? Anscheinend könnte es funktionieren. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Obwohl ich erst in den unteren Schwierigkeitsgraden kletterte konnte, stand mein Entschluss fest Profikletterer zu werden. Mit 14 Jahren habe ich meine Schule beendet und erklärte meinen Eltern, dass ich keine Ausbildung machen werde, sondern mich als Profikletterer versuchen möchte. Diese waren natürlich nicht begeistert, aber sie gaben mir das „OK“. Sie gaben mir genau ein Jahr. Sollte ich in diesem Jahr kein eigenes Geld verdienen, würde ich eine Ausbildung beginnen müssen. So jetzt stand ich da und überlegte, was ich tun kann, um Geld zu verdienen. Mir fiel ein, dass es noch keinen Topo-Kletterführer über das Klettergebiet in Konstein, wo ich mit dem Klettern begann, gibt. So fuhr ich tagelang nach Konstein, um die Felsen abzuzeichnen. Schließlich ging der Führer in den Druck. So hatte ich meinen Eltern bewiesen, dass ich Geldverdienen kann. Auch wenn es nicht zum Leben langte, waren meine Eltern zufrieden und unterstützten mich weiter hin. Schnell wurde ich durch konsequentes Training besser.

In den darauffolgenden Jahren steigerte ich mich, bereiste Länder in Amerika, viele Klettergebiete in Europa, auch Osteuropa, standen auf dem Programm. Durch viele Wiederholungen von schwierigen Kletterrouten wurde ich auch durch Presseberichte bekannter und konnte Sponsoren für mich gewinnen. Mein Lebensunterhalt war gesichert. Dies ging so bis zum meinem 18. Lebensjahr, dann kam der Schock, als es mir gesundheitlich immer schlechter ging. Blutige Durchfälle bestimmten meinen Alltag, dann die Diagnose „Collitis Ulcerosa“. Meine Profilaufbahn war in Gefahr; ich bekam Medikamente und stellte meine Ernährung um. Nach einem halben Jahr konnte ich meinen geliebten Klettersport wiederaufnehmen. Ich steigerte mich wieder und konnte in den darauffolgenden Jahren etliche Wiederholungen und auch Erstbegehungen bis zum 10 Schwierigkeitsgrad in den verschiedensten Ländern klettern. In den späten 1980ern kamen dann auch die ersten Kletterwettkämpfe auf. Klar, dass ich mich auch mit anderen Kletterer messen wollte. So nahm ich neben meinen vielen Kletterreisen auf der ganzen Welt, auch an internationalen Wettkämpfen teil, von denen ich auch einige kleinere sogar gewinnen konnte. Mein Leben lief perfekt und meine Sponsoren gaben mir den nötigen finanziellen Rückhalt.

Ich brachte in den Jahren darauf mehrere Topo-Kletterführer über die Klettergebiete in Cortina und Trieste (mit Slowenien), sowie die Kletterzeitschrift „Onsight“ heraus. Ich gründete nebenher die Bekleidungsfirma CIAN, unternahm sogar einen Erstbegehungsversuch an der Eiger-Nordwand. Es wäre mit Sicherheit eine Route im 10. Schwierigkeitsgrad geworden, wenn nicht das Wetter umgeschlagen hätte.

Bis zum Jahre 2003, meine Krankheit verschlechterte sich schlagartig. Ich konnte nicht mehr Klettern, eine schlimme Zeit sollte beginnen. Die Ärzte erhöhten meine Kortison-Dosis auf 100mg pro Tag um eine Linderung zu Erzielten. Tatsächlich wurde es besser, doch Klettern konnte ich vergessen….

Das Leben wurde für mich nicht mehr lebenswert. Ich vernachlässigte alles, hatte keine Lust mehr überhaupt, etwas zu machen. Das wirkte sich natürlich auf meine gegründeten Firmen aus.

Der große Knall!

Zwei Jahre sollte ich mit der erhöhten Kortison-Dosis leben. Das ging so bis zum September 2005, als ich in der Nacht vom 28. auf den 29. September unerträgliche Schmerzen bekam.

Zum Glück rief mich eine Bekannte in der früh an und fuhr mich sofort zu meinen Internisten nach Stadtbergen und es begann das Ringen mit dem Tod. Obwohl ich mich vor lauter Schmerzen fast nicht mehr bewegen konnte, kam wohl die größte Fehlentscheidung, die ein Arzt jemals treffen konnte. Dieser untersuchte mich mit Ultraschall und kam dann schließlich zu dem Ergebnis, es seien nur Blähungen, mehr nicht. Zu diesem Zeitpunkt war es eigentlich schon zu spät. Also fuhr mich meine Bekannte wieder heim. Ich legte mich auf das Sofa im Wohnzimmer. Die Schmerzen nahmen immer mehr zu. Wie durch ein Wunder nahm sich meine damalige Freundin einen halben Tag frei. Das sollte dann auch meine Rettung gewesen sein. Und es begann ein Lauf, der mein Leben veränderte. Um 14 Uhr wurden die Schmerzen unerträglich. Wir riefen den Notdienst an, da mein Hausarzt Mittwoch nachmittags geschlossen hatte. Doch dieser wollte nicht kommen. Die Ausrede war, er hat jetzt keine Zeit und ich sollte doch bis zum nächsten Tag warten bis er wieder offen hätte. Um 15 Uhr brachen wir ins Zentralklinikum zur Notaufnahme auf. Natürlich musste ich warten. Erst 16 Uhr kümmerte sich endlich jemand um mich. Einige Untersuchungen wurden gemacht bis es schließlich zur Diagnose kam: „Darmdurchbruch mit absoluter Blutvergiftung“. Der Arzt erklärte es mir dann noch, soweit ich es noch verstanden habe. Es folgte eine lebensbedrohliche Operation, in der ein Teil meines Dickdarms und Dünndarms entfernt wurden: Ich bekam vorübergehend einen künstlichen Darmausgang. Von der Zeit danach erfuhr ich nur noch von Erzählungen. Ich wurde in den nächsten Tagen dreimal operiert und lag 16 Tage im Koma und wurde künstlich beatmet. Mein ganzer Körper war vergiftet. In dieser Zeit bekam ich noch eine Lungenentzündung und Wasserablagerungen dazu. Aus meinen 63 kg Körpergewicht wurden dadurch auf einmal fast 100 kg. Das Wasser lagerte sich überall ab. Ich soll ausgesehen haben, wie ein kleines Michelin-Männchen und das Fieber stieg und stieg.

Ich hatte Träume, obwohl ich im Koma lag. Ich kann mich sogar noch an einige Sachen erinnern; diese komischen Geräusche. Ich träumte davon, dass meine Freundin und ich in Tschechien in einer Diskothek waren. Auf einmal kam die Polizei und wollte mich mitnehmen, doch ich ergriff die Flucht durch einen Gang. Ein dumpfer Ton kam aus diesem und der Gang wechselte auch die Farben, Rot – Lila – Grün. Ich rannte und rannte, bis ich auf einer kleinen Almhütte, wo es kein Wasser und keinen Strom gab, ankam. Die Kühe grasten auf der Wiese und ich wurde zu einer deftigen Brotzeit mit einem Schnaps begrüßt.

Nach 16 Tagen Koma erwachte ich schließlich aus diesem. Doch ich war noch so im Delirium und spürte etwas im meinem Hals, als wenn ich ein Würstchen verschluckt hätte. Ich kaute dauernd darauf herum. Wie ich später erfuhr, war es der Schlauch für die künstliche Beatmung. Ich hatte schrecklichen Durst. Ich versuchte es zu erklären, doch ich konnte ja nicht reden. Nach 20 Tagen wurden dann endlich die Maschinen von der Beatmung abgeschaltet und der Schlauch wurde entfernt. Ich freute mich endlich, etwas zu trinken zu bekommen. Doch weit gefehlt, nur ein kleines Schlückchen konnte ich bekommen. Da einige Krankenschwestern aus Tschechien kamen, dachte ich immer noch, dass ich mich dort befinde. Ich konnte immer noch nicht Realisieren was passiert war. Zu diesem Zeitpunkt war ich immer noch nicht über den Berg. Es hieß, falls ich überlebe, müssten sich meine Eltern auf einen Pflegefall einrichten. Ich war durch die Blutvergiftung und Koma ab dem Hals komplett gelähmt und dies sollte auch nicht mehr weggehen. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Das Wasser in meinem Körper ging zwar langsam zurück, doch das hohe Fieber blieb beständig. Dazu kam noch, dass sich meine Bauchwunde entzündete. Die Ärzte mussten die ganzen Nähte entfernen, so dass mein Bauch aufklappte und eine etwa 10 x 15 cm große Wunde entstand, die nicht mehr geschlossen werden konnte. Nach 4 Wochen Intensivstation war ich dann schließlich außer Lebensgefahr und ich konnte auf die normale Station verlegt werden. Da mein Bauch komplett auf war, wurde ich an eine Vakuumpumpe angeschlossen. Diese hatte den Sinn, dass eine künstliche Haut erzeugt wurde. Mein Körper war immer noch komplett gelähmt und ich konnte nicht einmal meinen kleinen Finger bewegen. Da wurde mir das erste Mal klar, was es bedeutet auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Man musste mich Füttern und Waschen wie ein kleines Kind. Ich musste jedes Mal nach den Krankenschwestern schreien, wenn ich Durst hatte, denn Klingeln konnte ich ja nicht. Zum Glück gab es ja noch meine Eltern und Schwester. Meine damalige Verlobte machte dann im Krankenhaus Schluss mit mir. Sie hatte Angst, dass ich ein Pflegefall werden würde. Meine Schwester kam regelmäßig mittags in Ihrer Pause und fütterte mich. Meine Eltern kamen dann nachmittags und abends. Durch die vielen Infusionen und Blutabnahmen war es dann soweit, dass die Ärzte bei mir keine narbenfreie Vene für die Blutabnahme finden konnten. Also beschlossen sie, mir einen Zentralvenenkatheter zu legen. Ich hatte echt Angst vor diesem Eingriff. Mittlerweile war ich nun bereits 6 Wochen im Zentralklinikum. Das hohe Fieber hielt immer noch an und aus den Dränagen links und rechts kam purer Eiter heraus. Trotzallem sollte ich so schnell wie möglich auf REHA gehen. Nach siebenwöchigen Aufenthalt wurde ich schließlich in die Fachklinik nach Enzensberg überwiesen. Es begann trotz hohen Fiebers eine knallharte Krankengymnastik. Nach drei Wochen war ich soweit, dass ich zumindest wieder selber Essen und Trinken konnte. Nach etwa 10 Wochen, in denen ich nur im Bett lag, wurde ich das erste Mal wieder aus dem Bett geholt und in den Rollstuhl gesetzt. Doch mein Kreislauf versagte schon nach wenigen Sekunden und ich meinte mein Rücken bricht auseinander. Aber ich steigerte mich von Tag zu Tag. Doch ein erneuter Rückschlag sollte wieder alles verändern. Ein Fistelgang hatte sich zwischen meiner Bauchwunde und den Dränagen gebildet. Es wurde schon wieder von einer neuen Operation gesprochen. Doch dies wäre zu gefährlich gewesen, da mein Körper noch viel zu schwach war, für eine erneute Narkose. Also hieß es für die nächste Zeit wieder absolute Bettruhe. Ich fiel immer öfter in ein neues Tief und wollte mich schon Aufgeben. Doch die netten Pfleger bauten mich immer wieder auf. Das Jahr ging schließlich zu Ende und ein paar Tage vor Silvester konnte ich dann endlich das Bett verlassen. Ich war ehrgeizig und wollte unbedingt auf die Silvesterfeier in die Cafeteria. Es wurde ja auch mal Zeit, etwas anderes zu sehen, als immer nur die Zimmerdecke. Aber die Pfleger meinten, ich könnte dies in meinen Zustand vergessen. Da ich ja schon immer besser wusste, ließ ich mich einen Tag vor Silvester, als ein Freund mich besuchte, in den Rollstuhl setzten. Komischerweise spielte mein Kreislauf sehr lange mit. Am nächsten Tag erklärten sich die Pfleger tatsächlich bereit, mich in die Cafeteria zu schieben. Aber nur unter der Voraussetzung, dass ich sofort Bescheid gebe, wenn es mir schlechter geht ist. Fast hätte ich durchgehalten, aber um 23:30 Uhr machte sich dann doch mein Kreislauf bemerkbar und man musste mich holen. So verbrachte ich den Jahreswechsel wieder im Bett. In den nächsten Tagen hatte ich mir Hanteln besorgen lassen, so dass ich meine Arme trainieren konnte. Auch stand ich nach sehr langer Zeit wieder auf den Beinen. Doch schnell bemerkte ich, dass es noch ein sehr langer Weg sein wird, bis ich meine ersten Gehversuche machen konnte. Ich erinnerte mich daran zurück, als meine Profikarriere als Kletterer begann und als nur der „Eiserne Wille“ zählte. So kämpfte ich mich Stück für Stück nach vorne. Meine Krankengymnasten nannten mich nur noch eine „Kämpfersau“. Doch mein starker Wille führte mich dann sehr schnell zum Erfolg und nach einiger Zeit konnte ich meinen Rollstuhl abgeben und bekam dafür einen Gehwagen. Einige Zeit später verzichtete ich auch auf diesen. Endlich wurde mir auch die Vakuumpumpe entfernt. Der Bauch war zwar immer noch auf, doch die Ärzte konnten das Risiko vertreten. So wurde ich schließlich am 1. April 2006 entlassen.

Es war schon ein komisches Gefühl als ich nach 6 Monaten zum ersten Mal wieder Zuhause war. Ich freute mich echt darauf. Doch die Freude hielt sich dann in Grenzen, als ich meine Wohnung betrat. Hatte meine Ex Freundin mir doch tatsächlich fast die ganze Wohnung leergeräumt. Ich hatte nicht einmal mehr ein Kopfkissen. Auch merkte ich schnell, was es bedeutet zuhause zu sein. Ich konnte zwar einigermaßen laufen, aber das war es dann schon auch. Ich konnte nicht ,alleine in die Badewanne gehen und auch das Bücken war Fehlanzeige. Jeden Tag musste ich zum Arzt um meine immer noch offene Bauchwunde Versorgen zu lassen. Das Versorgungsamt stellte bei mir 90% Schwerbehinderung fest. Die Wunde wurde bis zum Juni 2006 immer kleiner. Dann brach der alte Fistelgang erneut auf, wurde wieder eitrig und auch die Bauchwunde wurde wieder größer; ein erneuter Rückschlag. Doch das sollte nicht alles sein. Ein weiterer Fistelgang bildete sich und gerade auch noch dort, wo es sehr unangenehm ist, im Hinterteil.

2007
Die Bauchwunde ist immer noch offen meine beiden Fistelgänge sind ebenfalls noch offen, wobei einer noch eitrig ist. Laufen konnte ich gerade einmal ein paar Meter; Das Bücken und Heben von schwereren Sachen aussichtslos. Das vorm Computer sitzen geht gerade mal so ca. 45 Minuten. Das Ganze machte mich so fertig, dass ich nicht mehr aus dem Haus ging.

2008/ 09
Ich fand zu meinem altem Leben zurück, ich ging wieder vermehrt aus und akzeptierte das Stoma und dachte die anderen Leute sollen doch denken was sie wollen.

2010
Ich lernte meine jetzige Freundin Marion kennen. Sie lernte mich so kennen, wie ich war. Meine Behinderung machte ihr auch nichts aus.

Ein erneuter Rückschlag sollte mich dann Ende 2010 wieder zurückwerfen. Weitere Analfisteln, mittlerweile waren es insgesamt 10 Stück, bildeten sich. Die mussten jetzt unbedingt operiert werden. Nach mehreren OP‘s in Regensburg und München bekam ich auch diese wieder in den Griff.
Meine Freundin baute mich jeden Tag mehr und mehr auf. Mit dem Laufen ging es auch immer besser und 2011 fuhren wir das erste Mal zusammen in den Urlaub nach Ägypten. Schon komisch, so ein Badeurlaub ist eigentlich gar nicht mein Fall. Ich hatte solch einen Urlaub schon lange nicht mehr gemacht. Das ich dann ein Jahr später wieder mit dem Klettern beginnen sollte, ahnte damals noch niemand.

Im Frühjahr 2012 wagte ich mit meiner Freundin eine Wanderung auf den Berg Lusen im Bayrischen Wald. Das ist eine Tour von etwa 2 Stunden. Wir benötigten allerdings alleine für den Aufstieg fast drei Stunden. Am nächsten Tag besuchten wir noch den Baumwipfelpfad. Am Parkplatz befand sich eine kleine künstliche Kletterwand. Meine Freundin sagte, versuche es doch mal…, komm auf. Also legte ich Hand an und das erste Mal seit 2003 hielt ich wieder einen Griff fest. Doch schon nach wenigen Zügen waren meine Unterarme platt. Doch es hatte Spaß gemacht. Ich machte mir Gedanken, sollte ich nochmals zum Klettern anfangen? Nach etlichen Absprachen mit meinen Ärzten bekam ich von diesen „das ok“, aber nur unter der Voraussetzung starke Überhänge zu meiden und eine Bandage zu tragen. Ich machte mich auf die Suche nach einer geeigneten Bandage für meinen Bauch. Aber auch das Stoma musste geschützt werden, da ja genau über dieses der Klettergurt lauft. Schließlich fand ich eine Firma, welche genau solche Bandagen herstell. Nun stand einer weiteren Kletterkarriere nichts mehr im Wege.

Die ersten Kletterversuche

Nachdem ich mir wieder Kletterschuhe und Klettergurt besorgt habe ging es ab in die Kletterhalle. Doch schnell musste ich erkennen, dass die Kraft in den Fingern und Armen komplett weg war; kein Wunder nach so einer langen Kletterpause.

Im August 2012 verbrachten wir unseren Urlaub in den Dolomiten, genau dort, wo ich damals meinen ersten Haken geschlagen habe. Wir wanderten und ich ging ein bisschen Bouldern. Genau dort überredete ich meine Freundin doch auch mal das Klettern zu versuchen. Ihr machte es Spaß und so fuhren wir gleich zwei Monate später an den Gardasee.
Durch konsequentes Training wurde ich wieder besser und mein Gedanke war, warum nicht Profikletterer mit Handicap zu werden. So ging ich, wie schon am Anfang meiner Kletterkarriere, auf Sponsorensuche. Viele meiner alten Sponsoren fanden es so Klasse, dass sie mir prompt wieder eine Unterstützung zusagten. Mein Weg stand also wieder auf Erfolg. Wir besuchten 2013 viele Klettergebiete in Frankreich – Italien – Österreich – Kroatien.

2014
In diesem Jahr hörte ich, dass es Kletterwettkämpfe für Kletterer mit Handicap geben soll. Einen Internationalen Kletterwettkampf nochmals bestreiten, das wäre was, dachte ich mir. Doch mein Kletterkönnen war noch nicht gut genug. So verbrachte ich dann, zusammen mit meinem Schatz, meine Zeit in einigen Klettergebieten und steigerte mein Training wieder auf 4 bis 5 Mal die Woche. Auch das Klettern und Trainieren mit Zusatzgewicht stand wieder auf dem Programm

2015
Es folgte der erste internationale Wettkampf in Imst:
Ich meldete mich beim DAV an, da man auf diesen Wettkämpfen nur mit einer Internationalen Lizenz starten darf. Er gab mir diese Lizenz und meldete mich an. So fuhr ich im Juni 2015, nach fast 15 Jahren Wettkampfpause, nach Imst. Einige Gedanken gingen mir durch den Kopf. War ich wirklich schon wieder gut genug, um einen Wettkampf zu bestreiten? Die Aufregung war groß, als ich an den Start ging. Nach Qualifikation und Finale war das Endergebnis ein 5. Platz. Nicht schlecht für den Anfang, dachte ich mir und entschloss mich doch noch einen weiteren, in England stattfindenden Wettkampf, teilzunehmen, der im September durchgeführt sollte. Schnell war der Flug gebucht und ich reiste nach Sheffield, wo ich wieder einen guten 5 Platz belegen konnte. Ich überlegte, was ich weiter machen wollte, denn eigentlich wollte nur noch einmal einen Wettkampf mitmachen. Aber daraus waren nun schon zwei geworden und ich fühlte mich auf jeden Fall noch steigerungsfähig. Als ich hörte, dass 2016 eine Weltmeisterschaft in Paris stattfinden sollte, war es für mich keine Frage. Ich wollte dran teilnehmen! Eine Weltmeisterschaft fehlte mir ja noch in meiner kompletten Karriere. Im Winter 2015/ 16 tüftelte ich mir einen Trainingsplan zusammen. Auch von Seiten des DAV bekamen wir Paraclimber einen Nationaltrainer zur Seite gestellt, als eine Nationalmannschaft für Kletterer mit Handicap gegründet wurde.

2016
Im dem Jahr folgten nun weitere Wettkämpfe. Diese endeten mit dem 3. Platz in Campitello und den 4.Platz in Imst, bevor es dann im September zur Weltmeisterschaft nach Paris ging. Ich war gut vorbereitet und fühlte mich fit und beendete die Weltmeisterschaft mit einem sehr guten 5. Platz.

2017
Über den Winter verschärfte ich mein Training nochmals. Mein Trainingsplan sah vor, nun 5 bis 6 Trainingseinheiten in der Woche zu absolvieren. Ich besorgte mir eine 25kg schwere Bleiweste und einen Schlingentrainer. Die ersten Erfolge ließen sich dann auch nicht lange auf sich warten.
Beim ersten Wettkampf in Ehrwald belegte ich gleich den 3. Platz.
Es folgten die Wettkämpfe in Imst (3. Platz), in München (3. Platz), in Briancon (3. Platz), in Edinburgh (5. Platz) und in Sheffield 2. Platz. Durch die konstant gute Leistung sicherte ich mir im Gesamtweltcup den 2. Platz.

2018
In diesem Jahr wollte ich nach meinem Erfolgen in den letzten Jahren, alles Toppen. Es sollte ja vielleicht mein letztes Wettkampfjahr werden. Doch das das Jahr dann mit Pleiten Pech und Pannen enden sollte, ahnte ich nicht. Ich arrangierte einen Privattrainer, um mich für die im September stattfindenden Weltmeisterschaft optimal vorzubereiten. Im März wurde ich von der Stadt Ingolstadt für meine sportlichen Leistungen geehrt. Das Training lief bis zu einer Kletterreise nach Tschechien auf Hochtouren. Dort fing ich mir eine Zecke ein, deren Biss sich entzündete. Das war der erste Rückschlag. Ich bekam Antibiotika und musste drei Wochen pausieren. Danach steigerte ich wieder mein Training. Im Juni folgte der erste Wettkampf in Karlsruhe, bei dem ich einen guten 3. Platz belegen konnte. Ich fühlte mich wieder fit für die bevorstehenden Wettkämpfe im Juli in Imst und Briancon.
Die Zeit rückte näher und ich fuhr gut vorbereitet nach Imst. Dort belegte ich den 5. Platz. Direkt im Anschluss und eine Woche vor dem Weltcup in Briancon hatten wir vom Deutschen Nationalkader ein Trainingslager in Innsbruck. Dort verletzte ich mich genau drei Tage vor dem Weltcup in Briancon. Bei einer leichten Route machte ich eine komische Bewegung und es stach mir in die linke Bauchseite. Daraufhin wurde ich gleich ins Krankenhaus Innsbruck eingeliefert. Die Diagnose: Ein Muskel hatte sich zwischen die Rippen geschoben und wurde abgequetscht. Trotz starker Schmerzen fuhr ich nach Briancon und ging an den Start. Aber mehr als ein 8. Platz war einfach nicht drin. Zuhause ging ich nochmals zum Orthopäden. Dieser riet mir auf jeden Fall für 5 bis 6 Wochen eine Kletterpause einzulegen. Toll dachte ich mir und das genau vor der Weltmeisterschaft. Trotz allem fuhren meine Freundin und ich im August nach Lienz. Nach fast 6 Wochen Pause legte ich wieder Hand an den Felsen. Es blieb aber nicht mehr viel Zeit bis zur Weltmeisterschaft. Ich versuchte mein Trainingspensum so gut wie möglich zu steigern. Doch mir war schon klar, dass die kurze Vorbereitungszeit für einen guten Platz nicht reichen würde, als ich im September dann nach Innsbruck fuhr. Nach einem dummen Fehler, gleich in der ersten Route, war dann mein Ziel, wenigstens unter die Top 10 zu kommen auch dahin. Mit einem 15. Platz beendete ich schließlich die WM. War es jetzt mit dem Wettkampfklettern? Ehrlich gesagt, weiß ich es noch nicht genau, vielleicht noch den einen oder anderen. Sicher ist: Im Jahr 2019 möchte ich mich wieder verstärkt dem Felsklettern und Bouldern widmen. Ich habe da noch einige offene Projekte, die ich durch das Wettkampfklettern etwas vernachlässigt habe. Auch Erstbegehungen stehen nach langer Zeit wieder auf dem Programm.

= Kurzprofil ==

geb. 28.12.1966
Wohnort Bobingen
Alter 52 Jahre
Beruf: Profikletterer und Klettertrainer
Erfolge:
Alpin:
Piz Bernina Bianco Grat
Piz Palü Überschreitung an einem Tag in 18 Stunden
in meinem 13. Lebensjahr
Felsklettern (Auswahl – Erstbegehungen):
• „Sogni all Ombra“ (10)
• „Winterzeit“ (10)
• „5th Avenue“ (9+)
• „Die Eingebung“ (9-)
• „Brutalus Delictus“ (9 –)
• „Fingerhut“ (9+)

und mehrere Wiederholungen von Routen bis zum 10. Schwierigkeitsgrad

Wettkämpfe:

2. Platz im Gesamtweltcup 2017
von Michael Füchsle