Michael „Mich“ Kemeter hat sich was richtig Schweres vorgenommen und  wieder in der Dachl-Nordwand. Die zehn Seillängen lange Route dürfte mit das schwerste sein, was momentan in den Alpen zu klettern ist. Mich erschloss die Route allein und „groundup“ im September und Oktober letzten Jahres. Noch wartet die Route auf ihre Rotpunktbegehung. Wir dürfen gespannt sein. Viel Glück Mich!

Facts:

1. 6- clean 30m
2 8b 5 bolts 40m
3 7c+/8a 4 bolts 35m
4 8c 10 bolts 35m
5 7c+/8a 8 bolts 30m
6 8c 7 bolts 25m
7 8a+ 2 bolts 25m
8 9a 15 bolts 35m
9 7c+ 2 bolts 35m
10 6- clean 35m
(Bewertungsvorschlag)

300m „Dachinierer“

Equipment:
15 Expressen
2 Set Totem Cams bis #2
1 Set Mirco Cams
10x gesatteltes Nervenkostüm
70m Einfachseil
70m Haulseil
Abseilen über die Route möglich
Trip 1: 22.-26.9.21

Trip 2: 3.-5.10.21

6 Tage und 6 Nächte

[Die Angaben berufen sich auf eine grobe Schätzung der Schwierigkeitsgrade, da die Route noch nicht Rotpunkt geklettert wurde!]

Das es dafür „etwas“ Zeit braucht, zeigt seine benachbarte Route in der gleichen Wand. Hier konnte er schon links davon im Oktober 2021 mit Chrisi Pichler seine Tour „Weg durch Hedis Kaiserschmarrn“ an einem Tag Rotpunkt begehen. Schon 2018 gelang ihm die erste Rotpunktbegehung, wofür er 10 Tage am Stück in der Wand hing. Er konnte auch diese Route zuvor im gleichen Stil erstbegehen: ground up, solo. Dafür verbrachte er 63 Nächte in der Wand. 

Lassen wir ihn über die neue Route selbst berichten:

Vertrauen in das Unbekannte

Den Alleingang zu wollen ist eine Seite des Messers Schneide. Ihn aber vollkommen auszureizen, eine bizarre Gratwanderung. Es entscheidet oft blitzartig die Souveränität über einen guten Ausgang brenzliger Situationen. Auf höchster Konzentriertheit, in eine gewisse Art der Meditation überzugehen, verlangt es dabei die aller höchste Kunst: Die Magie des Nicht-Denkens. Dabei ist die Taktik entscheidend.

Als am Tag 4 die mentalen Speicher völlig erschöpft waren, wurde es gefährlich. Der Geist verlor langsam aber sicher die Steuerung über den Körper und die Psyche. Die Risikobereitschaft war zu hoch. Also kehrte ich zurück in die Zivilisation, um frische Kräfte zu tanken.

Doch, wenn man solche Motivation für ein Ziel aufbringen kann, muss es ja nicht auf Biegen und Brechen an dem Selben Trip fertig gestellt werden. Dabei geht es vielmehr um die Ausdauer sowohl als auch, dieses ganz spezielle Durchhaltevermögen an den Tag zu bringen, um eine schier unmöglich erscheinende Passage nach mehrmaligem Austesten, doch lösen zu können. Es gab wenige Abschnitte, an denen ich bis zu 3 Stunden tüftelte. Klar hätte ich einen Bolt bohren können. Doch dem stand meine eigene Ideologie im Wege. Und siehe da, es funktioniert eben doch mit einem erhöhtem Zeitaufwand. Von den vielen gespannten Nervenden möchte ich gar nicht erst anfangen zu erzählen. Da lernt man eben wieder die Geduldigkeit kennen. Vor allem hängt einfach alles nur von einem Selbst ab.

Am Umkehrpunkt angelangt, nutzt die frische Power den Zeitdruck des Schönwetterfensters, von nur 48 Stunden, bis aufs Letzte hin aus. In Länge 7 beende ich in der Dämmerung den ersten von zwei Tagen, mit zwei Bolts auf dieser 25m Seillänge im unteren zehnten Grad. Das große Dach direkt über mir erscheint so bombastisch, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenken möchte, als ich mittels Stirnlampe den durchgefrorenen Kadaver nach unten bringe. „Nur noch einen Schönwettertag, dann kommt der Schnee!!“, fährt mir ständig durch den Kopf.

Es wird eine ruhige Nacht und die Regeneration ist ausreichend. Der Countdown läuft und so auch ich, die Wand hinauf. „Je weniger zu bohren ist, desto schneller komme ich vorwärts.“

Doch im Dach stellt sich eine andere Herausforderung: Ist es überhaupt kletterbar und komme ich dort überhaupt innerhalb eines Tages hinauf, inklusive austoppen?

Viele Momente des Glücks später, bedankt sich meine Wirbelsäule, als dieses Dach auf einem Band endet und den Weg freigibt bis zum Dachlgrat -dem Gipfel des Dachinierers! Nun hat dieses Projekt erst dessen Anfang einer langen Reise gefunden.